Warum ich das machte, konnte ich nicht sagen. Ich sah ein Schild, bog ab, hielt, stieg aus meinem Auto, schloss meine Jacke und folgte dem Weg. Eigentlich war ich unterwegs, um etwas zu erledigen, eigentlich sollte ich schon ganz woanders sein, eigentlich …
Mit null Plan hielt ich mich an den kleinen Schotter-Pfad bis sich ein Platz auftat, der kreisrund angelegt in der Mitte eine gut drei Meter hohe Stele aufwies; eine längliche Platte mit wunderschön eingravierten Namen. Es waren mir unbekannte Namen. Es waren Namen von Verstorbenen, die hier gemeinsam ein Grab fanden. Asche lag neben Asche; vertrauensvoll zusammengestellt, wie Skistiefel, die niemand mehr im Sommer für seine Reise ans Meer brauchte.
Mein Blick fiel auf einen Weg, der hinter der Stele weiterführte. Neugierig umrandete ich die Bepflanzung und stand dann in einem alten Teil des Friedhofes. Wuchtiger Stein, verwittert, verblasst und mit Efeu umrankt, zeigte ebenfalls Namen, doch diesmal mit Jahreszahlen. Hier erinnerte sich das Dorf der im Ersten und Zweiten Weltkrieg Gefallenen; es waren die Namen von jungen Männern, die vermutlich die Geheimnisse des Lebens nicht einmal ansatzweise erleben durften. Hier zeigten sich Wunden der Geschichte, die niemals verheilten; sie wurden nur vergessen.
Jetzt wusste ich, warum ich hier war. Ich schloss meine Augen und erinnerte mich an meinen Morgen, der anscheinend nur dafür da war, um mir zu zeigen, was alles nicht klappen konnte. Egal, was ich anfasste, misslang mir, selbst der Kaffee schmeckte nicht. Meine Laune verhakte sich in den Gedanken und kreierte einen Weltuntergang, der im schlecht schmeckenden Kaffee seine Begleitung fand. Wie belanglos! Dunkle Gedanken machten blind, sie verhängten das Sichtfeld, als verrutsche die Maske bis zu den Augenbrauen.
Und jetzt stand ich hier in der Abendsonne vor alten Steinen mit alten Namen, vor anderen Leben mit anderen Werten. Wie viel hatte die Welt seitdem herausgefunden? Wie viel hatte sich davon in unsere Normalität einbringen können? Wie viele Zusammenhänge verstanden wir nun und vor allem: Wie viel innere Freiheit ist uns seitdem geschenkt worden oder billigten wir uns selber zu?
Wir unterlagen den Naturgesetzen: Das Marmeladenbrötchen wird immer herunterfallen und wenn wir Pech hatten auf die geschmierte Seite. Mit viel Mühe wurden uns die Newtonschen Gesetze in der Schule beigebracht. Wir wundern uns nicht mehr, wenn so etwas geschieht, wir bekommen nur einen kleinen Anfall, wenn das Brötchen am Sonntagmorgen auf seinem Weg an der Hose hängen blieb. Hier wirken Energiegesetze, die sich traditionell messen ließen.
Wir unterlagen aber auch den Gesetzen der Quantenphysik. Hier bewegten sich Energien, die wir nur „irgendwie“ erfassen können; manchmal fiel es uns schwer, sie als solche überhaupt zu akzeptieren. Hier tummelten sich das Feinstoffliche, wie Gedanken, Gefühle, Intuition oder andere energetische Informationen. Jeder unterschrieb sofort die Tatsache, dass diese Energien unser Leben beeinflussten.
Ich musste lachen. Heute Morgen war ich richtig schlechter Laune, alles was ich tat oder eben auch nicht, wurde von dieser inneren Tatsache gesteuert. Ich entschied in einem unbedachten Moment, einer Empfindung nachzugeben, folgte ihr, obwohl sie mir überhaupt nicht bekam. Es fehlte mir dadurch sogar die Energie, diesen selbstgebastelten Vorgang zu erkennen. Deshalb war ich hier …
Das Schöne, Bereichernde, das Erfüllende in jeglicher Hinsicht, also das ultimativ Besondere für unser Leben, genau das, das brauchte ein Startfeld, wie eine Boeing 747 am Hamburger Flughafen. Weder im normalen Alltag, noch zwischen den ganzen To-dos nahmen wir dies Feld wahr. Wir sahen es oft nur auf Wegen, die unser Auge noch nie erblickte; denn hier schauten wir hin und betrachteten genau. Es war eine Energie, die wir in uns selbst kreieren konnten.
Ja, im Moment zwingt uns die Welt, andere Wege zu gehen, doch wenn wir selbst nicht auf die Idee kommen, dann schubst uns manchmal ein Außen; auch wenn wir nicht wissen warum.
… so get up off your knees … your heart will show the way.

Liebe Christine,
vielen Dank für diesen Text! Manchmal zieht einen die Intuition zu solchen Plätzen der Reflexion, wenn wir durch Frust oder Stress nicht mehr in der Intuition sind. Ich habe das Gefühl, Frust und Stress sind sehr laute Stimmen – die Intuition hingegen eine leise, feine Stimme, der man bewusst zuhören darf. Und dann kann sie einen zu solchen besonderen Plätzen führen. Das Wort „Startfelder“ hat mir da gut gefallen, weil es mich an das Wort Energiefeld hat denken lassen, an Plätze mit einer speziellen Wirkung auf uns. Vielen Dank für diesen intuitiven Start in den Sonntag! 🙂
Liebe Grüße
Alina
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Liebe Alina, das sehe ich absolut genau so, das ist ein wesentlicher Punkt. Wie leicht geben wir deshalb dem Stress nach und wie schwer finden wir dann zurück zu dem Schönen … Vielen Dank für Deine Worte und hab noch einen wunderbaren Sonntag! Lieben Gruß, Christine
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Wenn der Kaffee morgens nicht schmeckt ist der nächste Gedanke meist: es wird heute wohl alles schief gehen. Und mit dieser inneren Erwartungshaltung passieren dann auch nur negative Dinge und wir sehen nicht mehr klar. Die Gewohnheit spielt da sicher auch mit: das wird wohl wieder wie vorgestern oder dann und dann.
Genauso ist es aber auch anders herum mit dem Gedanken: das wird schon gut gehen, hat doch immer so geklappt. (Übrigens eine der Hauptursachen für Arbeitsunfälle.)
Aber etwas Besonderes ist es immer – so wie Du es beschrieben hast -, ganz unerwartet auf etwas Anderes, Unbekanntes zu stoßen. Dann hinterfragt man bewusst und überlässt die Einschätzung nicht dem Unterbewusstsein.
Ein nachdenkenswerter Text von Dir in Deinem wunderbaren Schreibstil!
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Gewohnheit ist dann tatsächlich einer der großen Beeinflussungen, denen wir ausgesetzt sind. Natürlich können wir sie auch ganz bewusst nutzen, wir kennen alle die 21-Tage-Regelung, die uns etwas zur Gewohnheit werden lässt, was wir uns unbedingt als Aktion von uns selbst wünschen. Schwierig wird es nur, wenn wir unser eigenes Verhalten überhaupt nicht mehr in Frage stellen. Wir verzichten auf Kontrolle, die dann von einem Außen übernommen wird; nicht immer wird da behutsam mit uns umgegangen … Vielen Dank für Deine Worte, Werner 😀 auch Dir einen schönen entspannten Sonntag!
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Liebe Christine,
ich mag diese Gedanken. Neue Wege bringen neue Erkenntnisse. Am Ende der Corona-Krise werden wir feststellen, dass sie uns nicht nur eingeschränkt, sondern auch weiter gebracht hat. Jeden auf seine Art.
Hab eine schöne neue Woche und bleib gesund!
Reni
P.S.: Das Bild ist der Hammer!!!
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Liebe Reni, du sagst es! Es ist die Zeit der Veränderungen, bei jedem. Ein träges Dahinleben gibt es nicht mehr, wir bekommen sozusagen die große Lupe in die Hand gedrückt, um Bisheriges zu untersuchen und Zukünftiges zu planen. Eine große Herausforderung für alle, ohne Ausnahme … Vielen Dank für Deine Worte! Das Bild durfte ich mir bei Pexels herunterladen, ich bin auch ganz begeistert! Ich wünsche Dir ebenso einen guten Start in die Woche inklusive Gesundheit und Freude! Lieben Gruß, Christine
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Klasse! Mich beeindruckt dein Schreibstil, der kurz und knapp das Notwendige sagt.
Und deine Art der achtsamen bewussten Wahrnehmung eins zu eins spüren lässt.
Toll, dass du diesem Impuls gefolgt bist…
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Oh, vielen Dank! Ich freue mich über Deine Worte, Marion! Lieben Gruß, Christine
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Wunderschön geschrieben❤️
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Danke Dir, Anna! Ich freue mich!
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Nun bekomme ich eine Ahnung, warum ich diesen schönen Text erst heute lese! Er passt zu meinem Tag, einschließlich der Kommentare…
Die Treppe würde ich auch sofort in meinen Garten setzen! Danke und lieben Gruß, Angelika
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Ich freue mich sehr 😀 Danke!
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Das ist wirklich berührend. Ich habe das Gefühl dass ich diesen Zustand kenne, den du in dem Text beschreibst. Man sollte ganz woanders sein und folgt dann einem Weg der einen zu einer Erkenntnis bringt. In diesem Fall zu einem Friedhof, der das sich-bewusst-werden und das lebensbejahende Sehen zurück an die Oberfläche spült.
Der Kontrast zwischen der malerischen Beschreibung am Anfang / den tiefen Gedanken und dann den banalen Alltagsbildern – misslungener Kaffe, Marmeladenbrötchen, Skistiefel, Flugzeug – habe ich als sehr rau empfunden. Als wenn es extra nochmal widerspiegelt an was für Kleinigkeiten man sich aufhängt.
LG
Gedankenpilze
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Danke Dir! Jede Sache besitzt meines Erachtens seinen entgegensetzten Pol mit dem es eine Einheit ergibt. So finden wir das Männliche und Weibliche gemeinsam tief in uns selbst verborgen, ohne Tod gäbe es kein Leben und ohne Licht keinen Schatten. Je nach dem, welchem Pol wir selbst aufgrund unseres Charakters, Lebensumstände oder auch Höhen und Tiefen, gerade näher stehen, entwickelt sich ein spezieller Blickwinkel; für einen Anderen sieht genau dieselbe Sache gänzlich anders aus, das macht dann ein Miteinander so spannend.
Du hast vollkommen Recht, wir hängen uns an Kleinigkeiten auf. Dennoch besitzen diese einen ganz speziellen Kern, der das Gegenteil auf seine Art und Weise mit erklärt. Vielleicht sind es gerade diese Kontraste, die uns lebendig fühlen lassen; sie bewegen uns.
Hab noch ein schönes Wochenende! Lieben Gruß, Christine
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