Wie dick konnte die Wand zur Realität sein, sodass diese Frau nicht die Einschläge bemerkte? Der Redeschwall über ihre eigenen Befindlichkeiten killte jegliche Konversation und brachte mich dazu, viel mehr von der Torte zu probieren, als ich eigentlich wollte; wenn ich aß, dann redete ich nicht, dann geriet ich nicht in die Gefahr, unhöflich die genauen Beschreibungen zu kommentieren.
Über meine Kaffeetasse hinweg betrachtete ich den Rest der Runde. Jeder beschäftigte den eigenen unruhigen Geist: Der eine untersuchte die brennenden Kerzen, ein anderer blätterte in einem herumliegenden Buch und am Ende des Tisches betrank sich jemand mithilfe des nach Kork riechenden Inhalts des Dekanters.
Durfte Höflichkeit bis zur Aufgabe jeglichen Lebenswillens der Zuhörenden gehen? Erst nach angemessenen zwei Stunden wäre ein Herausschälen aus den Sesseln legitim; den Verspannungsschmerz im Kreuz gab es dann umsonst dazu.
Mir war schlecht, von der Torte und von der Situation. Im Grunde war es wohl ein Ausdruck meiner Enttäuschung über mich selbst. Ich war aufgrund meiner Erziehung nicht in der Lage, mich der Situation zu entziehen. Stünde ich zu meinem Innersten, würde ich frühzeitig aufstehen und gehen oder nach dem hundertsten Versuch ein anderes Thema zu etablieren nicht aufgeben.
Vielleicht brauchte ich auch eine Überarbeitung meiner Schwerpunkte …
… oder Friedrich Nietzsche hatte recht:
Konvention heißt Übereinkommen in Worten und Handlungen
ohne Übereinkommen des Gefühls.
Anm. z. Bild: Photo by Jason Leung on Unsplash