Alle meine Sinne lagen auf dem Punkt. Die Textur der Wand zog mich magisch an. Wenn ich ganz nah herankam, dann zeigte sich in einem tiefen Purpur ein Muster mit samtenen Oberflächen, die gleich einem Moospolster mit unterschiedlichen Höhen beeindruckte, als verrieten Berge und Täler Landstriche in einem fernen Land. Hach, die Kunst der Kunst! Ein Öffnen von tausend Türen!
„Hallo! Sie da!“
Naja, ich muss ja nicht immer gemeint sein, außerdem nuschelte der Typ.
„Sie dahinten an der Wand!“
Meine Wahrnehmung entschied sich für ein leichtes Eintauchen ins Hier und Jetzt, um dem Umfeld die Möglichkeiten zur Interaktion zu bieten. Der lange Flur besitzt zwei Wände, nur um es fürs Protokoll festzuhalten!
„Meine Güte, hallo, so hören sie doch!“
Schnelle Schritte unterstrichen seine Worte, die im völligen Gegensatz dazu langsam aber sicher am Boden entgegenrollten, als seien es schwere Kugeln, die nur träge vorankamen.
Ein langer Seufzer unterstrich meine Gedanken, die eigentlich bereits vom ersten Ton an wussten, dass ich aus der Nummer nicht richtig herauskam. Trotzdem rebellierte alles in mir! Schließlich ließ sich in meinem Fall sehr wohl das Kleingedruckte bemühen.
Mit hochgezogenen Augenbrauen brachte ich meine Verblüffung zum Ausdruck, nahm meine Hände demonstrativ von der Wand und drehte mich dabei langsam herum.
Etwas außer Atem blieb ein –ich musste zugeben- total nett aussehender Mann vor mir stehen. Ein Hauch von Verzweiflung überzog sein Gesicht, während sich die volle Dramatik in seinen ringenden Händen zu entfalten schien.
„Sie wissen schon, dass sie hier nichts berühren dürfen!?“
Ein klein wenig durch seine Gestik beeindruckt, blieb ich regungslos stehen.
„Das ist kein Kunstwerk.“
„Doch! Selbstverständlich!“, antwortete er mit dem Brustton der Überzeugung.
Nun gut, in meinen Augen war es tatsächlich ein Kunstwerk. Schließlich zog es mich mit all seiner Kraft an. Aber das wollte ich nicht erklären, damit hätte ich ihm zugestimmt.
Ich mochte ihn. Er gehörte zu den Menschen, die sich mit all ihrem Sein in eine Aufgabe begaben und ihren Schutzschirm über die ihnen überlassenen Dinge warfen. In solchen Fällen entspann sich nicht selten ein wohltuendes Netz der Einbindung, alles zwischen Pluto und Mars gehörte dann dazu.
Sein aufkommendes Lächeln entwaffnete mich, löste aber nicht den klitzekleinen vorgetragenen Vorwurf des Fehlverhaltens auf.
„Wenn es ein Kunstwerk wär, hätte es ein eigenes Schild der Erklärung!“
Er schaute mich kurz an und begann, die in den nächsten zwei Metern angeklebten Erklärungskarten zu lesen:
„Jugendstil-Lampe … hmm, nee …“
„Noch eine Jugendstil-Lampe … auch nicht …“
„Jugendstil-Tisch … gibts doch nicht …“
Langsam zog unsere Diskussion andere mit in den Bann. Aufregung um ein Nichts! Eigentlich war dieser Mann viel zu nett dafür.
Es gab kein Schild für die dunkle Tapete, sie war schlichtweg ein Utensil, um die Objekte besser zur Geltung zu bringen, die Fakten sprachen für mich. Aber, musste das nun sein?
„Sie haben ja vollkommen recht! Manchmal sind die Dinge einfach zu schön, da konnte ich mich nicht zurückhalten!
Einen Moment stutzte er, denn er bemerkte sehr wohl meine veränderte Haltung. Sein Gesicht hellte auf und ich bekam ein breites Lächeln geschenkt …

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FOTO von Alexander Grey auf Unsplash (Titelbild)
Museumsbesuche sind einfach klasse!
Wohlwollendes Entgegenkommen im Sinne des Versständnisschaffens ist ab und zu auch ein vieles erleichterndes Spiel das alle lächeln lässt. Danke für das Offenlegen deiner Gedanken, das Öffnen einiger Tore deiner inneren Erlebniswelt. Kaum reagieren wir unaufgeregt gechillt, uns selbst in unseren Handlungen verstehend und uns fein in Sprache verpackt erklärend, verändern wir auch die Gesamtstimmung.
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Danke Dir für Deine Worte, Axel! Das sehe ich auch so; jedes Handeln und meines Erachtens auch jedes Denken verändert. Es verändert die Stimmung, die zwischen uns hängt und diese verändert wiederum uns … die Verbundenheit zwischen uns allen zeigt dann ihr Gesicht … Lieben Gruß, Christine
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Situativ~authentische Freundlichkeit entspringt einem wohlwollenden Menschenbild, aüßert sich sehr gerne in resonanten Antlitzen und auch im Weltbild das unsere Gedanken, dann unser Handeln prägt. Ja! Es ist ein oft unvorhersehbar, überraschende Früchte hervorbringendes Geschehen, wiewohl auch gelegentlich spontanes Miteinander das allen humorige Leichtigkeit im Umgang verschafft
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Ich mag diese kleinen schönen Begegnungen im Miteinander! Ihre Farben hinterlassen hauchfeine Spuren, die wir als Geschenk mitnehmen dürfen …
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Das ist recht seltsam! Genauso würde ich herum stolpern. Ich meine, nicht an Deiner Stelle, oh nein, ich meine anstelle des total nett aussehenden Mannes. Das kann doch eigentlich nur ähm, Tom gewesen sein. Nicht wahr?
LG Tom
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Oh, wenn der „total nett aussehende Mann“ Tom gewesen wäre, dann wäre der Dialog bestimmt viel länger geworden, aufkommende Fragen hätten dann gut einen Kaffee als Grundlage gebraucht … also glaub ich jedenfalls …
Lieben Gruß, Christine
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Also ich hätte gar nichts gegen Espresso und lange Dialoge…Wir könnten, ähm, zum Beispiel mal über die Fiktion der Realität parlieren. Oder ganz praxisnahe über den Einsatz von Androiden beim Pokern. Die sind nämlich wirklich fies, die Kerle verraten sich nie. Kein Augenzwinkern, nichts. Ähm. Wo gibst denn hier in der Nähe ein nettes Kaffeehaus…?
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Das mit der Fiktion der Realität ist eigenwillig! Ein brandheißes Thema, also find ich gerade! Je mehr ich mich damit auseinandersetze, um so mehr lassen sich Empfindungen verstehen; nicht durch den Verstand, durch das Gefühl, also dem wirklich coolen Ratgeber! Nun gut, so manche Sachen -wie Pokern- sind dann eine echte Herausforderung (also stell ich mir gerade vor, denn es gehört bei mir zu den Noch-nie-Gemacht). Vielleicht finden sich gerade in anderen Welten die Antworten auf die tausend Fragen des Ichs. Bewertungen, Muster und alte Erfahrungen bleiben zurück, das Wesentliche lässt sich viel leichter herausschälen und damit erkennen, dann kommen Antworten zurück, die das eigene Verstehen erweitern, also irgendwie das Waschmaschinen-Prinzip. Also schenke ich mir einen gerade durchgelaufenen Kaffee ein, pack ne Portion Milch dazu und proste Dir zu, Tom. (Ist ein Espresso nicht ein bissl wenig? Oder trinkt man dann ganz viele?)
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Hm, ein Espresso wäre wenig? Materialmässig schon. Aber wenn’s um den Geschmack geht, dann ist weniger manchmal mehr. Wenn eine kleine süsse Espressotasse höchstens zu einem Drittel gefüllt ist, dann hat Tom überhaupt erst die Chance auf einen guten Kaffee. Natürlich kommt’s noch auf ein paar andere Dinge an, ob der Kaffee wirklich gelingt. Ich trinke lieber zu wenig von einem guten Kaffee als literweise schlechten Kaffee. Also ich mach das jetzt einfach so: Drehen wir mal kurz die Uhr gute 4 Stunden zurück, das ist ja kinderleicht, dann lasse ich einen Doppio aus der Espressomaschine raus und proste Dir zu, liebe Christine. Das sind dann zwei Espressi auf einmal, wird auch nicht so schnell kalt wie ein einzelner.Und reicht mir eigentlich zum Frühstück. Nach dem Mittagessen gibt’s nochmal einen einfachen. Klein aber fein.
Ja, und wenn ich jetzt grad so meinen Kaffee zum zweiten Mal schlürfe, dann verblüfft mich doch, wie einem die Realität immer wieder einfängt. Alles was ein Gefühl auslöst, muss ja irgendwie real sein. Das Spannende an der Realität ist, dass sie gar nicht so staubtrocken ist, wie man als naturwissenschaftlich Geprägter stets befürchtet hat. Man braucht nicht in bizarre, nonreale Welten abtauchen, um zum Beispiel Moby Dick zu sehen und zu verstehen. Im Gegenteil, es reicht, die unglaubliche Fülle der Realität zu spüren und zu akzeptieren. Dann wird das Universum transparent, der weisse Moby Dick ist kein Rätsel mehr sondern ein Symbol für sagen wir mal das Gute, Reine und Schöne, was aus der Dunkelheit des erbarmungslosen Meeres auftaucht. Das ist fühl- und spürbar. Deshalb ist doch Deine Bemerkung so stimmig: In anderen Welten finde ich die Antworten auf meine tausend Fragen. Solange diese anderen Welten ihre Geschichten erzählen, verweben sich diese Antworten zu meiner Realität, die somit immer im Fluss ist. Meine bisherigen Muster und Bewertungen verändern sich mit dem dauernden Wandel der Realität. Andernfalls, wenn ich an meinen alten Kognitionen festhielte, fiele ich ja aus der Zeit…
Danke für das schöne Frühstück mit Dir! Heute war der Kaffee besonders lecker.
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Nun ja, er ist schon ein wenig lütt, lach; nein, literweise ist auch nicht meins, ein einfacher Filterkaffee mit normaler Milch ist schon sehr wunderbar und begeistert mich völlig. Dann danke Dir, dass Du netterweise die Zeit ein wenig verschoben hast!
„Alles was ein Gefühl auslöst, muss ja irgendwie real sein“ … hach, wie schön! Ich würde sogar so weit gehen: Gefühle lösen Realitäten aus, wenn es unter dem Aspekt der Resonanz gesehen wird, was wiederum einen riesigen Topf aufmacht …
Moby Dick passt echt klasse. Das Auflösen augenscheinlicher Grenzen, Verbundenheit zwischen Wesen, ihrer Natur und der Natur. Der weiße Wal und das Meer, duale Kräfte, die sich in ihren Auswirkungen ergänzen, Polarität als Fundament, das alles trägt und wir mittenmang.
Du hast recht: Festhalten funktioniert nicht, wenn wir wachsen wollen. Es gibt so viele Spannendes, was noch entdeckt werden will, was noch verstanden werden will und was noch gelebt werden will … aufregend!
Vielen lieben Dank, Tom! Der Kaffee war heute wirklich besonders lecker.
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