Kantenschliff

Losgelöste Übungen sind einfach toll, simpel und völlig übersichtlich, also im ersten Moment. Wer an das Einfache glaubt, der wird sie so sehen und nach mehreren Wiederholungen als erledigt beiseitelegen. Doch wer etwas Muße besitzt und vielleicht ein klein wenig über das eigene Gefühl des Erledigt-seins hinweg blicken mag, der wundert sich. Plötzlich fällt sozusagen ein schmaler Geheimgang hinter dem vorgeschobenen Bücherregal auf:

Meine Trainingspartnerin steht hinter mir, legt die Hände auf die Schultern und führt mich entweder zur linken oder rechten Seite gen Boden. Manchmal musste ich mich mit der Hand auf der Matte abzustützen und manchmal nicht, total simpel.

In erster Linie sollten beide Seiten in sich hineinhorchen. Bewegte sich mein Körper, weil er auf Führung reagierte oder bewegte er sich, weil ich der Meinung war, nun sollte ich etwas tun? Bemerkte ich das Beenden der Führung? Verschwand irgendwann der Impuls des anderen? Also, genau genommen: Wie sensibel war ich eigentlich?

Nun gut, das mit der Sensibilität konnte ich für mich beantworten, dafür zeigten sich aber andere Baustellen:

Knickte ich nur mit dem Oberkörper ab, war ich ziemlich schnell weg vom Fenster, also mit der Nase auf der Matte. Blieb ich aber in meinem Zentrum, sodass sich der ganze Körper in einem bewegte, dann wurde meine Hüfte sozusagen als Drehpunkt genutzt. Das äußere Bein hob sich dadurch automatisch. Im Grunde sah das Ganze dann so aus, als ginge ich seitlich in die Waage. Das fühlte sich schon stabiler an, war aber immer noch nicht gut genug, denn die führende Person konnte mich mit einem Schubser einfach aus dem Gleichgewicht bringen.

Der Clou in dieser Übung lag für mich letztendlich darin, dass ich mir selbst noch mehr Stabilität verschaffte, indem ich mein Standbein nicht gerade wie ein Storch ausstreckte, sondern es zeitgleich mit der Körperbewegung beugte. Der gegebene Impuls lief durch mich hindurch, versickerte im Boden und verschenkte damit weiteren Halt.

PHOTO by Jeremy Thomas on Unsplash

Lösungen sind nicht immer offensichtlich! Denn mitten im Flow ist es oft nicht leicht, das eigene Tun überhaupt wahrzunehmen. Manchmal muss ein anderer genau beschreiben, was passiert, um selbst aus dem Tunnelblick herauszukommen. Viel zu schnell übernimmt die eigene Automatik all die Kleinigkeiten der körperlichen Umsetzung, damit sich der Fokus auf das Große konzentrieren kann. Das ist ziemlich praktisch, nur völlig diffus für das Bewusstsein.

Deswegen: Jede Kleinigkeit will gesehen sein! Stein für Stein …

das braucht seine Zeit,

wunderschön!