Das war ungewohnt! Der Abstand zum gegnerischen Schwert erschien mir unglaublich nah. Bisher positionierten uns die Katas auf Schwertlänge plus ein wenig Sicherheit. Da gab es genug Raum für ein Vertun, für eine nicht korrekte Platzierung oder für ein zu schnelles Vorpreschen, auch wenn die Wucht des entgegenkommenden Schwertes manchmal unverhofft schnell traf. Der Plus-Part fiel nun weg.
Nahe Kampf-Distanz … konnte da überhaupt jemand wissen, welche Information von welcher Seite kam? So manches Mal überraschten mich von jetzt auf gleich die Tatsachen: Die Klinge lag an meinem Hals und ich war im Grunde solide tot. Da weiß man, der bisherige Weg des Lernens reichte einfach nicht mehr aus.

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Die Morgensonne schien durch die weit offenen Fenster, Stimmen aus dem Hof gesellten sich dazu und eine Taube flatterte zu einer vorstehenden Ecke des Daches, um neugierig bei uns hereinzuschauen.
Immer und immer wieder wiederholten wir die Sequenz. Einer griff an und der andere übte an der Form, unzählige Male, dann umgekehrt. Der Fokus sprang: Einmal mehr auf die Fußarbeit, einmal mehr auf die Handarbeit, einmal mehr auf das Voranpreschen des Geistes, einmal mehr auf die Körperdrehung, einmal mehr auf die aufrechte Haltung und einmal mehr auf die Klarheit der Form, die ein jedes Abschweifen von dem Eigentlichen mit fehlender Kraft bestätigte.
Völlige Konzentration breitete sich aus, beanspruchte alles und ließ so manches Mal Gänsehaut entstehen, denn die äußeren Eindrücke wandelten zu einem Schleier, der nur mit einem Ki-Ai zerriss. Selbst für ein Wahrnehmen und Erkennen des Tuns gab es dann keinen Platz. Der eigene Geist folgte nicht mehr der vorgegebenen Form, sondern nur noch der Energie der Ausführung. Eine innere Logik erfasste unser Tun und uns selbst gleich mit.
Flow …

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Wir können uns dort hineinfühlen, in diese Zusammenarbeit zwischen Körper und Geist, in dies unglaublich Mysteriöse, das uns immer wieder überrascht und manchmal sprachlos zurücklässt. Es kommt dann nicht darauf an, wie viele Jahre wir bereits an einer Sache forschen. Es kommt nur darauf an, ob wir uns trauen, genau dorthin zu gehen.
Jeder kann diese Linie finden: Sie liegt auf dem höchsten Punkt des eigenen Könnens und unterhalb des im Moment noch nicht Erreichbaren. Kein Status der Welt ist dann wichtig, selbst nicht das angenähte Seepferdchen auf der Hose. Jeder kann sich dieser Linie nähern, jeder sollte sich dieser Linie nähern; sie ist ein Teil von uns, die Freiheit zaubert.
Natürlich ist auch die vierte Serie eine Serie, die ihre Form vorgibt und deshalb Grenzen besitzt. Dennoch erscheint es mir so, als kämen neue Elemente ins Spiel, die dem Schimmer des Eigentlichen einen Durchgang verschafft.
Was sich zeigt?
Heitere Gelassenheit.
„die dem Schimmer des Eigentlichen einen Durchgang verschafft“ ist eine tolle Beschreibung für Transzendenz.
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Oh, danke Dir, Werner! Ich freue mich! Lieben Gruß, Christine
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Allfarbig Shoshin 初心 im beschwingt leichtem Gleichgewicht ist kein Nähe-Distanz-Problem. Das dazugehörige jap. Emoji erspare ich dir*innaSmile*denn hab grad vernommen dass es in Japan von Fahranfängern auf’s Auto geklebt wird. Die nachträglichen Beschreibungen deiner Wahrnehmung haben enorme Tiefe und sind doch so viel mehr als nur im Kontext dieser Ausübung mehr als nur zu verstehen. Ohne Kopflastigkeit sieht unser Verstand ein wann und wo er fehl am Platz ist. Dann geschieht alles wie von geführter Hand, ganzheitlich wie von selbst und *grins gänzlich unerhaben* kein Kopf fällt vom durchtrennten Hals. Ja! Unerschütterlichen Mut braucht’s um dieses Gefühl im stetigem Hier und Jetzt zu leben……..denn dort stirbt krankes Ego im Flow
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Es gibt so viele Aspekte von einer einzelnen Sache … einfach spannend. Danke Dir für Deine Worte. Lieben Gruß, Christine
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