Mit dem Schwert in der Hand reduzierte ich meine Bewegung auf ein Mindestmaß: Konzentriert mit beiden Händen gefasst, legte ich es quer an eine Wandkante. Ganz deutlich ließ sich der Schnittpunkt über den Druck wahrnehmen. Nun hob ich meine Hände und drehte mich unterhalb hindurch, sodass sich der Betrachtungswinkel ein wenig veränderte. Das ist an sich nicht schwer. Die Schwierigkeit lag nun darin, den Geist während dieser kleinen Bewegung die ganze Zeit an dem Schnittpunkt nicht zu verschieben; DAS ist schwer!
Bis zu dem Drehmoment ließ sich die Konzentration für mich halten, doch dann schwenkte der Sinn um; er beschäftigte sich mit der Drehung und mit der Überlegung, wo genau sich mein Schwert befand. Eigentlich müssten sich Fragen überhaupt nicht ergeben, wenn ich wirklichen Kontakt hielt; eigentlich müsste ich deshalb sofort wissen, wo sich mein Schwert befand; eigentlich müsste mein Geist in der Lage sein, an der von mir selbst bestimmten Stelle verharren zu können, bis ich ihn dort wieder abholte; eigentlich …
Wenn ich stattdessen nur mit meinem Zeigefinger die Kante berührte, dann erfasste ich sie mit meiner Haut, mit meinen Nerven und meinen Knochen, spürte ohne Unterlass den Druck. Ich war förmlich eins mit dem Untergrund. Tauchte ich so unter meinem Arm hindurch und drehte mich selbst, dann war es kein Problem, den Geist punktgenau in meinem Finger zu behalten.
Das Schwert ist mein verlängerter Arm … eine echt große Aufgabe!

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Es ist eines der schwierigsten Dinge überhaupt für mich. Das Erfassen und Begreifen teilt sich noch sehr in Theorie und Praxis, auch wenn sich schon ein wenig abzeichnet, wie ich es üben kann. Körper und Geist bewirken Unterschiedliches. Sie besitzen Qualitäten, die sich gegenseitig ergänzen, verzahnen und dann Größeres möglich machen.
Unsere Gehirnhälften machen es vor: Die linke Seite steuert motorisch die rechte Körperhälfte, die rechte Seite steuert die linke Körperhälfte und zack, da laufen wir einen Marathon, ohne darüber nachzudenken. Oder unsere Augen: Ist eines davon schwächer, so gleicht die andere Seite diese Schwäche aus, um ein vernünftiges Bild zu produzieren. Teamarbeit ist also von Tag eins ein bekannter Zustand, wir können das, einfach so.
Von Natur aus neige ich zu einem fröhlichen Reagieren auf alles was in den Moment hineinpurzelt. Losgelöst von irgendwelchen Aufgaben ist es dann ein wirbeliges Hier und Dort und entspricht dem Ausleben eines Gefühls irgendwo im wolkigen, wohligen Zustand.
So schön es sich anfühlt, so verschenkt es doch Möglichkeiten. Denn es gibt eine Energie, die durch Zusammenarbeit zwischen Körper und Geist entsteht und sehr wohl zu spüren ist. Das ist keine philosophische Vorstellung oder irgendetwas Abgefahrenes, es ist ein Ergreifen von etwas Machbaren, das zu kultivieren gilt, denn zusammen sind diese beiden Seiten unfassbar stark.
Wie schärfe ich also den Geist, sodass er dort bleibt, wo ich ihn haben möchte? Niemand ist sich selbst ausgeliefert, da das Tun ja von einem selbst kommt. Die Frage wäre dann tiefer, was treibt sich im eigenen Geist herum, das diese Verbindung stört?
Der Geist möchte Dinge vereinfachen, um mit der Fülle der Welt nicht zu kollabieren. Er leitet uns durch die Gedanken, die zu Überzeugungen werden und damit Automatismen auslösen, wie beim Autofahren oder Fahrradfahren. Das Gleiche müsste deshalb auch mit dem Schwert funktionieren. Wenn mein Schwert der verlängerte Arm sein soll, dann muss ich den Kontakt darüber so kennen, wie ich es mit meinem Finger kann, also üben, üben, üben.
Es sind die praktischen Fragen, die zu einem Ziel führen, aber beantworten kann diese nur jeder für sich. Niemand hat den gleichen Körper oder das gleiche Verhältnis zu sich selbst, deshalb geht jeder den Pfad für sich allein. Das ist nicht schlimm …
aber krass spannend!
Unser Körpergedächnis entlastet jegliche Theorie im Kopf, bewirkt mehr als Automatismen, vermag sich derart tief einzuprägen dass kein Gedanke mehr unseren Flow stört, reagiert und agiert irgendwann selbstStändig. Beim Gehen, Fahradfahren und dergleichen vielem mehr denken wir ja auch nicht daran wie wir das tun. Dann und wann verändern wir je nach Aufmerksamkeit selbst auch da etwas um besser zu werden. Ein immerwährendes Werden im Dasein ist DAS.
MEmGlory belly unReAsoNIng NowHere
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Danke Dir, Axel! Lieben Gruß, Christine
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In der Tat, den Geist zu konzentrieren scheint mir in der – unsteten – Gegenwart schwieriger denn je! Was Du in bezug auf die Wahrnehmung durch das Schwert beschreibst, erinnert mich fener an die Beschreibung der Leiblichkeit in der Philosophie Maurice Merleau-Pontys. Vielleicht finden sich hier wiederum Anküpfungs- oder Berührungspunkte zwischen östlichem und westlichem Denken?
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Unbedingt! … Die Unterscheidung zwischen Körper und Geist ist das uns als offensichtlich Erscheinende bekannt. Mit den Jahren bemerken wir immer deutlicher die Verbindung, die –nach meinem Verständnis- Merleau-Ponty als „Leib“ in seinen Texten bildhaft werden lässt. Wir besitzen ein Bewusstsein, das unsere Aktivität und den damit verbundenen Willen in den Vordergrund stellt; hier zeigen sich dann die unterschiedlichen Herangehensweisen zwischen Ost und West.
In der Schwertarbeit findet sich etwas sehr Konkretes, dass das Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen Körper und Geist körperlich wirklich und wahrhaftig erfahrbar werden lässt. Es ist ein riesiger Unterschied, ob ich das Schwert allein nur mit Muskelkraft auf einen Punkt fallen lasse oder ob ich es zielgenau gemeinsam mit dem Geist dort auftreffen lasse. Eine besondere Kraft, die uns allen möglich ist, wird offensichtlich.
Vielleicht meinte Merleau-Ponty genau dies, als er schrieb: „Die Philosophie ist überall, selbst in den ,Tatsachen‘ – und nirgends hat sie einen Bereich, in dem sie von der ansteckenden Wirkung des Lebens verschont bliebe.“ (und wenn nicht, dann passt es trotzdem wunderbar 🙂
Danke Dir für Deine Worte! Lieben Gruß, Christine
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