Der Asterisk der Schreiberlinge

Eine planvolle Umgestaltung der bestehenden Gegebenheiten; so lässt sich das Wesen einer Reform bezeichnen. Ich weiß noch, dass ich völlig empört war, als es hieß, dass sich der Buchstabe „ß“ in den meisten Wörtern zu einem „ss“ verwandeln sollte. Damals verweigerte ich jegliche Veränderung; niemand sollte mir sagen dürfen, wie ich zu schreiben habe!

Nun, manche Mühlen mahlen langsam, aber sie funktionieren deshalb nicht weniger. Diese Veränderung – wie auch andere aus der damaligen Rechtschreibreform – schlich sich einfach ein. Schließlich las ich frisch Gedrucktes, das mit Umstellungen überhaupt keine Probleme besaß. Sachte rieselte dadurch täglich das Neue wie Sternenstaub auf meine Synapsen. Gegenwart breitete ihre Sphären aus und verdrängte ganz locker mein Althergebrachtes.

Genauso schmuggelten sich mit den Jahren Anglizismen verstärkt ins Bewusstsein und ohne es zu merken, vermengt sich da etwas, weil wir auf Reisen sind oder mit dem Arbeitskollegen am Ende der Welt schnacken. So tummeln sich der „Eyecatcher“ wie „Actionfilm“, der „Flyer“ und das „Event“ plus tausend andere Übergänger im geläufigen Wörter-Whirlpool.

Solche Veränderungen sind irgendwie zweidimensional. Sie lassen sich nutzen oder verweigern, doch irgendwann werden sie über die Generationen hinweg Fuß fassen, ob man sich damit einig fühlt oder nicht. Das Außen verändert halt.

Dann gibt es aber Veränderungen, die mehr in die Tiefe gehen und Bilder in unseren Empfindungen hinterlassen, sobald sie genau dort vom eigenen Verständnis abgeholt werden. Sie sind der gezeichnete Würfel, dessen 3-D-Form ein Vorhandensein ganz nah heranträgt. Manchmal strecken wir bei diesen Objekten die Hand aus, einfach nur, um sicher zu stellen, die Zeichnung erhebe sich nicht wirklich mit seinen Ecken und Kanten aus dem Papier.

Auf so einem Würfel kaue ich gerade herum: Das generische Maskulinum – verallgemeinernd vereinnahmt die männliche Bezeichnung alle anderen -. Wird z. B. über eine Veranstaltung geschrieben, die aus 20 Technikern und 40 Technikerinnen besteht, dann passiert es nicht selten, dass daraus in der Berichterstattung 60 Techniker werden. Die Mehrheit taucht ins Dunkle.

Natürlich lässt sich diese Tatsache einfach ignorieren, Sprache ist schließlich Sprache, besitzt seine Eigenwilligkeiten und eine Menge Altes. Es wird aber etwas vergessen und ich meine nun nicht nur die Frauen.

Beim intuitiven Schreiben macht es sich bemerkbar, dieser Worthaken, dies Störende, als sei es ein unliebsames Möbelstück im Lieblingsraum, das bisher nicht wirklich von mir beachtet wurde. Ist der Kaffeefleck auf der Tischdecke einmal entdeckt, lässt sich der nicht mehr weggucken. Also muss ich etwas ändern.

Sprache zu verändern ist aber nicht immer einfach und irgendwie anstrengend, da auch ein anderer Aspekt damit in Bewegung gerät: Eingängige Texte leben von der Sprachmusik, von den Wogen der Laute und von der rechten Platzierung; am ehesten hören wir es in einem Gedicht oder in einer gefühlvollen Umschreibung. Doppelnennungen, Gendersternchen oder Binnen-I sind dann gut gemeint, bringen aber alles durcheinander.

Erst habe ich darüber nachgedacht, unter meine Texte eine Generalklausel hinzuzufügen, die darauf aufmerksam macht, dass ich selbstverständlich bei dem generischen Ding das Allgemeingültige meine, dass ich selbstverständlich beide Seiten der Menschheit einschließe und auch selbstverständlich da keinen Unterschied suche oder empfinde. Aber genauso gut könnte ich einen Stein auf der Straße einfach in Geschenkpapier einpacken, damit er sich besser einfügt, tut er aber nicht, ich stolpere immer noch darüber.

Ok, dann anders! Vielleicht muss ja nicht immer genau das bewegt werden, was gerade nicht zu bewegen geht, schließlich führen tausend Wege nach Rom …

Mit diesen Gedanken werden Partizipien plötzlich äußerst interessant; aus einem „Autor“ wird dann „geschrieben von“ oder das Personalisieren muss mal in die Ecke, sodass die schöne Umschreibung mit dem Tätigkeitsfeld sich lebendig in Sätzen wiederfindet. Abgesehen davon gibt es erstaunlich viele neutrale Begrifflichkeiten oder auch Synonyme, die im Grunde nur aus den passiven Sprachschatz geholt werden müssen. Ja, ich weiß, das macht Mühe, aber es lohnt sich.

Wir sprechen, um uns zu verständigen, um uns in Schnittmengen zu tummeln, die eine Kommunikation möglich machen, die jeden darin Befindlichen einbinden soll. Denn Worte informieren nicht nur auf unterschiedlichen Ebenen, sie formen unsere Wirklichkeit, sie fließen mit den Wassern der Meere und zeichnen mit den Farben des Lichts.

Wir gestalten mit ihnen.

PHOTO by guy stevens on Unsplash

Niemand hat gesagt, dass alles sofort und immer klappen muss. Es will geübt sein und es werden Fehler passieren, aber das macht nichts, denn der Fokus ist da und ich finde, das ist schon mal ein guter Anfang.


Anm. z. Titel: Asterisk = Sternchen (*) als Hinweis, typografisches Zeichen