Überraschend anders und irgendwie widersprüchlich, so würde ich ihn beschreiben … nachdenklich stehe ich auf der Matte und fühle mich in das So-Sein: Schön! Hätte ich jetzt wirklich nicht gedacht!
Mit verwobenen Eigenwilligkeiten ergänzt der Hakama (dunkler Hosenrock) das typische Erscheinungsbild der Aikidoka. Darunter befinden sich eine weiße Baumwollhose, ein Gi und ein Gürtel. Gut vier Meter Band zurren dies Gesamtpaket an der Taille zusammen, damit beim Fallen und Rollen noch alles an der richtigen Stelle sitzt; ein Kleidungsstück mit Aufgaben-Charakter!
Ist das Gebundene zu fest, kommt spätestens nach zwei Minuten die Schnappatmung. Binde ich ihn komfortabel, tja, dann hält nach einer Weile überhaupt nichts mehr; alles verrutscht und löst sich auf. Erfahrung ist hier kein unermesslicher Faktor. Das ist die Facette der Kleidung.
Jeder Schritt ist mit ihm anders, da die Fliehkräfte des Rockes die spiraligen Bewegungen unterstützen. Sie nehmen mich förmlich an die Hand, um gemeinsam in einer weichen runden Art einen Angriff abzuwehren. Die stabilere Haltung bringt zudem das eigene Zentrum in den Vordergrund der Empfindung. Möchte ich außerdem auch noch das Zentrum meines Angreifers unterwandern, dann bestätigt mir das breite Auseinanderfallen des Rockes meinen tiefen Stand. Das ist die Facette des Nutzens.
Bereits das Ankleiden braucht die volle Aufmerksamkeit, als biege sich dadurch der Fokus zurecht, der am Anfang der Stunde noch all die Alltagsgedanken mit sich trägt. Ich empfinde das konzentrierte Binden als ein Einstimmen auf das Lernen und das innere Zurechtrücken. Denn niemand ist am Ende eines Trainings so, wie er am Anfang die Matte betreten hat. Der Geist fühlt sich aufgeräumt und zufrieden an, als spiegele man selbst den dann sorgfältig zusammengefalteten Hakama. Das ist die Facette des Rituals.
Die Vorzüge einer Sache lassen sich nicht immer erdenken. Es gibt Dinge, die wollen sich erarbeitet wissen und vielleicht auch das Gefühl erhalten, dass der Nutzer sich ganz darauf einlässt, bevor überhaupt daran gedacht wird, die innewohnenden Geheimnisse zu verraten.
Spannend!

Wenn sich Kunst über die schöpferische Kraft in Auseinandersetzung mit Natur und Welt definiert, dann habe ich es eindeutig mit einem Werk zu tun, das sich in einem steten Prozess befindet und immer die Handschrift des Trägers offenbart.
Das Fließen des Stoffes unterstützt die Bewegungen wie auch das Empfinden, sich mit dem Ki zu verbinden. Diese Energie fühlt sich dann einfach richtig an. Techniken geschehen aus sich heraus und hinterlassen beim Angreifer das Gefühl, überhaupt nicht zu verstehen, warum ein Angriff plötzlich zu Ende ist.
Entstanden in alter Zeit bringt der Hakama auch seine Geschichte mit sich. Wenn der Träger die zugewiesene Bedeutung für sich annehmen mag, so findet er in den sieben Falten des Hakamas (fünf auf der Vorderseite und zwei auf der Rückseite) die Verweise auf die sieben Tugenden des Budo:
JIN – Güte, GI – Ehre, Gerechtigkeit, REI – Höflichkeit, Etikette, CHI – Weisheit, Intelligenz, SHIN – Aufrichtigkeit, CHU – Loyalität und KOH – Pietät.
Die Anordnung kann aber auch etwas anderes verraten: Mit vier Falten auf der rechten Körperhälfte erhält diese mehr Spielraum als die linke. Befinde ich mich im Seiza am Boden und müsste in diesem Moment das Schwert ziehen und möchte aufstehen, dann fällt mir dies genau deswegen leichter.
Was immer der Träger eines Hakamas für sich annimmt, ist schließlich der Weg, den er selbst in seinem Herzen beschreibt. Dieser Hosenrock ist deshalb mehr als ein Statussymbol. Zu einer bestimmten Zeit wird er verliehen und zeigt sich als ein über unzählige Trainingsstunden gesponnenes Band; eine bunte eigenwillige Blume entsteht.
Danke für all das!
Anm. z. Titel: Hakama = Hosenrock, sabaki = Bewegung, gemeinsam steht es für dies besondere spiralige Gefühl, das beim Gehen und Bewegen durch den Hosenrock ausgelöst wird und damit das Tun beeinflusst.
Diese Besonderheit des spiraligen Gefühls, das der Hosenrock auslöst, die Erleichterung der spiraligen Bewegung, das finde ich faszinierend! Ich liebe Spiralbewegungen (und sei es nur in den Gedankengängen … 😉💕). Etwas irritierend finde ich allerdings, dass die rechte Körperhälfte mehr Spielraum erhält, als die linke, – wenn man bedenkt, dass die linke Seite häufig als die weibliche Seite des Menschen betrachtet wird … .😉
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Durch die ungrade Zahl der Falten besitzt die rechte Seite des Hosenrockes eine Falte mehr, also mehr Stoff und damit gewollt mehr Spielraum. Die Überlegung geht davon aus, im Knien überrascht zu werden. Die rechte Hand zieht dann das Schwert, das auf der linken Hüfte sitzt und das rechte Bein stellt sich dadurch zuerst auf, während das linke noch kniet, in diesem Moment darf der Hosenrock nicht zu schmal ausfallen; das sollte ich vllt noch deutlicher formulieren. Aber interessant finde ich deine Überlegung, die weiblichen und männlichen Seiten mit einzubringen. Jeder besitzt beides in sich, also gibt es aus dieser Sicht keinerlei Unterschied, wenn man sachlich an einen Kampf herangeht; so kann ich deine Irritation gut verstehen. Danke für Deinen Hinweis! Lieben Gruß, Christine
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Ich vergleiche den Hakama mal mit dem berühmten Tüpfelchen auf dem i. So, wie in der Schreibkunst ein besonders schönes Büttenpapier beschriftet wird, so rundet der Rock Deine Kampfkunst ab.
Zwar kann das Papier über Eselsohren nicht punkten, aber schon mit Symbolen, die eingeprägt sind oder mit Wasserzeichen.
Ein kleiner Hang hin zur Abrundung und Perfektion.
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Stimmt, so kann man es sehen! Es bereitet Freude und es wird gewertschätzt! Danke Dir, Werner! Lieben Gruß, Christine
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