Mit dem Fuß im Strom

Bissl Glück muss man haben! Es fehlte noch jemand, der die Kamera beaufsichtigt. Klar, kein Problem! Ich war begeistert. Einen besseren Platz zum Zuschauen gab es nicht. Ich durfte mich dadurch direkt vor dem Prüfungsbereich aufhalten, einfach perfekt!

Für einen Moment senkte sich völlige Stille über den Raum. Zusammen mit der merklichen Spannung schien es fast sichtbar die Bewegungen aller zu verlangsamen. Trotzdem entstand keine Schwere. Es fühlte sich an, als hielte jeder ein wenig die Luft an. Dann ging es los:

Klar und deutlich folgte die Ansage der Techniken. Japanische Worte schwangen durch die Luft und gaben den Rhythmus der Knie- wie Standtechniken vor. Immer wieder veränderte sich die Art der Angriffe, als probiere das Außen, die unterschiedlichen Türen des sich Verteidigenden zu öffnen; aber selbst mit Messer, Stab und Schwert blieben die inneren Burgen standhaft … wunderschön anzusehen!

Einfach toll!

Eigenwillig, die Linse und ihr Brennpunkt direkt vor mir, innerhalb meines eigenen Gesichtsfeldes, das ebenso beides besaß. Das Ich als Betrachterin der betrachtenden Kamera …

Zu sehen, wie andere den Weg gehen, ihren Weg gehen, ist spannend. Jeder zeichnet mit einer eigenen Handschrift, mit einer Betonung, die ganz speziell ist. Unter Stress kann sich niemand verstecken. Stärken und Schwächen kommen zum Vorschein und offenbaren sich. Authentisch zu sein ist etwas Wundervolles! Schade, wenn wir viel zu oft genau dies argwöhnisch betrachten.

Eigenwillig, Techniken im unterschiedlichen Kleid, getragen durch Gedanken und Emotionen oder durch den Fokus des Geistes; das Werkzeug bestimmt das Ergebnis.

Wie sehr kenne ich es, wenn die Gedanken oder Gefühle den Körper beeinflussen, ihn daran hindern, all das Gelernte richtig abzurufen. Der Geist ist darüber erhaben, wenn wir es gelernt haben, diesen auch so zu nutzen. Gleich der Linse in der Kamera verändert er das durch Empfindungen verursachte Auseinanderfallen der Aufmerksamkeit und führt zu einem selbst gewählten Brennpunkt.

Eigenwillig, es sieht so aus, als käme ein Faden von links und der andere von rechts. Widerstände offenbaren sich in Form von Bewertung und Gefühlen. Ich brauche sie nicht verknoten, es reicht das Erkennen, Berühren und sachte Beiseitelegen.

Lernen besitzt deshalb keinen Selbstzweck, es verschiebt die Grundlage, um etwas in seiner inneren Struktur zu erfassen. Das ist das Aufregende beim Aikido: Die Techniken helfen, genau dies zu verstehen und in einem Tun umzusetzen.

Ki will fließen … ohne Widerstand, sei er von außen oder von innen.