Es gibt keine Abkürzungen!

Inmitten des Raumes, irgendwo auf einem Punkt in unserer Zeit, stand ich mit meiner Trainingspartnerin auf der Matte. Genau bis hierhin war ich sehr einig mit der Situation, denn es lagen Wochen des intensiven Trainings hinter uns, die eigenwillig herausfordernd richtig viel Spaß gemacht haben.

In vielen zusätzlichen Stunden halfen unsere Lehrer, jede Technik in ihre Bestandteile zu zerlegen und Bewegungsabfolgen immer und immer wieder durchzugehen. Nicht selten, irgendwo zwischen der hundertsten und hundertersten Wiederholung, fiel etwas scheinbar Neues hindurch und das eigene Herz konnte ohne mit der Wimper zu zucken behaupten, davon noch nie gehört zu haben, obwohl das Lächeln des Lehrers etwas anderes verriet.

In dieser Zeit kam ich mir vor, als webte ich an mir selbst: Der Körper verknüpfte, fühlte, betrachtete und band alle Sinne mit ein, um den Geist über Neues zu informieren. Vielleicht ist es auch so, dass das eigentliche Wissen hier auf Erden, in seiner Gänze nur mit dem Körper in seiner wirklichen Bedeutung erfahrbar wird.

Dann ist der Moment da und ich musste feststellen, dass das Gelernte eine Hürde nehmen musste, die sich förmlich in den Weg stellte: Gleich einer Brandung riss mein Puls das Ruder an sich und ich kam mir wie eine Surferin vor, die die unterschiedlichen Höhen der Wellen befuhr; in einem Moment konnte ich alles sehen und in einem anderen Moment verschob sich die Sicht.

Als ich mich wieder auf meinen Platz zurücksetzte, inmitten der Gruppe, inmitten der Menschen, die genau wussten, wie sich mein Innerstes anfühlte, da war es für mich trotzdem gut.

Denn meine Lehrer nickten und etwas für mich Wichtiges blieb in Erinnerung: Fortschritt offenbart sich nicht im Vergleich zu den anderen, sondern lediglich nur zu einem selbst.

Domo arigato gozaimashita!

Eine einzelne Technik kann sich nur in einer Situation entfalten, die mit ganz bestimmten Reaktionen des Gegenübers rechnet. Dies lässt sich auf der Matte sauber abgrenzen, aber auf der Straße nicht. Zu viele unwägbare Einflüsse lenken den Kontakt und damit das eigene Handeln. Vielleicht ist gerade in diesem Moment ein Potpourri unterschiedlichster Techniken notwendig, um ein Gegenüber davon zu überzeugen, dass z. B. ein Faustschlag eine schlechte Idee ist.

Die Art der Verbindungen innerhalb dieser notwendigen Handlungsabfolge wird durch den Moment in der Realität vorgegeben und verrät damit ganz viel: Die Techniken lassen sich kreuz und quer zusammenfügen und sind dadurch frei in der Kombination. Um dies aber als Ausführende tun zu können, brauche ich das tiefe Wissen einer jeder einzelnen. Ich brauche das Wissen ihrer innewohnenden Spiralen und Auswirkungen und vor allem die Kenntnis über ihren typischen Ausdruck, der sie ausmacht. Erst dann besitze ich die Freiheit zu kombinieren.

In einer realen Situation entsteht eine fortlaufende Bewegung, eine Nicht-Technik, die aufgrund der Verflechtung dann doch wieder eine ist. Innerhalb dieser Situation entwickelt sich die passende Form und ein friedlicher Weg tut sich auf.

Die Kampfkunst ist eine lebendige Einheit; sie verändert … Formen wie Menschen.


Anm. z. Titel:

Wenn der Körper etwas tut, dann wird der Geist es händeln müssen und umgekehrt. Halbes Wachstum gibt es nicht, nie.