En plein air

Geschafft! Zufrieden klappte ich meinen Laptop zusammen und summte eine von den Tonfolgen, die manchmal aus dem Nirgendwo auftauchten. Oh man, zwei Stunden Pause! Jetzt schnell raus. Die Sonne schien und meine Muskeln brauchten Bewegung. Hach! Ich sah alles vor mir: frisch gepflügte Felder mit riesigen Brocken tiefdunkler Erde, weltversunkene Kühe, die durch lange Wimpern mein Vorbeilaufen wahrnahmen, lautstarkes Vogel-Gewusel in den Knicks, das zum Mitspielen einlud und zu guter Letzt Melodien im Ohr, deren Rhythmus meine Füße fast alleine laufen ließen. Jajaja!

Zufrieden surfte ich auf den Wohlfühl-Wellen, als sich das Surren der Türglocke quer legte und mich aus meinem Tagtraum katapultierte. Überrascht ging ich etwas widerstrebend zur Tür; zwei Stunden sind halt kostbar.

Ich öffnete die Tür … oh, meine Nachbarin … eine wirklich nette Frau, aber zuweil auch ein Hauch anstrengend, wenn sie ihre epischen Vorstellungen von der Welt und vor allem der daraus resultierenden Empfindungen unbedingt teilen wollte. Ich mochte sie, so wie sie war, doch das Wort „kurz“ gehörte eindeutig nicht zu ihrem Vokabular.

„Hey junge Frau“, optimistisch packte ich den Moment, „du hast mich grad noch erwischt, ich wollte eben meine Laufschuhe anziehen und los. Alles ok?“

Eine völlig entspannte Nachbarin streckte mir begeistert ein Glas Marmelade entgegen: „Ganz frisch, musst du unbedingt probieren! Zeit für ein Käffchen?“

Einen Moment zögerte ich mit meiner Antwort, weil mir der Gedanke kam, dass meine Worte irgendwie mein Gegenüber nicht erreicht hatten.

„Oh, danke schön! Das ist lieb, dass du an mich dachtest!“, sagte ich. Die hausgemachte Marmelade war tatsächlich immer wieder eine Köstlichkeit und ich freute mich sehr.

„Ähm, aber mit dem Kaffee würde ich gerne …“

„Ach komm, das Wetter ist super, wir könnten uns draußen hinsetzen! Einen Klitzekleinen bevor du laufen gehst? Ich muss dir unbedingt was erzählen!“

Ah, meine Worte verhalten also doch nicht ungehört im All. Ich betrachtete das Glas in meiner Hand. Geschenke besaßen eindeutig manipulative Aspekte, konnte irgendwer dann mit gutem Gewissen „nein“ sagen?

„Na, einen Klitzekleinen können wir ja schnell verhaften …“

Wenn ich mich wirklich selbst lieben würde,

 was würde ich tun?

PHOTO by Andrew Bain on Unsplash

Lichtflecken! Man denke sich in eines dieser wunderbaren Bilder des Impressionismus und verweile im Gedanken genau dort. Es ist ein Eintauchen in Van Goghs wogende Kornfelder und glühende Landschaften, es ist ein Versinken in Monets Wasserglitzern oder ein Hüpfen auf Liebermanns bunten Alleen, deren Sinn allein darin zu liegen scheint, all das Licht der Sonne aufzunehmen. Beim Betrachten fällt dies unglaublich Helle in uns hinein und spiegelt sich mit aller Kraft wider. Unser Innen spricht mit dem Außen.

Wenn wir auf unser Herz hören, dann entsteht Licht und dies Licht ist Energie, die jede Faser von uns erfasst. Die Farben des Alltags verändern sich und Schatten verlieren ihre Macht.

Das klingt sehr harmonisch und leicht, ist es aber überhaupt nicht. Das zu leben, wonach sich das Herz sehnt, hat nichts mit Vernunft zu tun. Es hat auch nichts mit zwischenmenschlichen Erwartungen, mit Pflichten jeglicher Art oder mit selbst auferlegten Aufgaben zu tun.

Es ist eine Entscheidung.

Ja, wir können dies nicht immer leben, aber ab und zu! Was hält uns davon ab, den Blick auf das innere Leuchten zu richten und mit einem Lachen im Gesicht von Tupfer zu Tupfer zu springen, um den Füßen das Tanzen beizubringen …


Die Frage entnahm ich Christians Bischoffs Buch „Bewusstheit“, 3. Aufl., München, 2020.

Titel: franz.: im Freien