Des Übens Kraft

Das war nun herausfordernd! Meine Balance wollte nicht mitmachen und der Körper zweifelte von Sekunde eins an der Sinnhaftigkeit meiner Entscheidung. Er besaß schließlich zwei Beine mit Füßen, die genau dafür konzipiert waren, mit einer ausgeglichenen Haltung der Schwerkraft zu trotzen.

Auf einem Bein stehend schlug ich mit dem Schwert gerade einfache Schläge. Dabei galt es die Schultern nicht zu verkrampfen, das Standbein beweglich etwas eingeknickt zu behalten und nicht starr wie ein Storch zu verharren. Damit kein Hohlkreuz entstand und der Schwerpunkt nicht zu hoch lag, sollte zudem das Becken leicht nach innen kippen und die Schulterblätter immer wieder zueinanderfinden.

Auf diese Art regungslos herum zu stehen, das war kein Problem. Doch sobald die Bewegung dazu kam, kippte ich, als würde sich jemand einen Spaß machen und meine Achse mit dem Finger aus der geraden Haltung heraustippen. Ich lachte. Physik würde mich solange korrigieren, bis ich in der Lage war, ihre Regeln nicht nur zu akzeptieren, sondern auch zu befolgen. 

Ich wollte meinen Schwerpunkt mit einer geschmeidigen Bewegung verändern können. Bei der Schwertarbeit gab es unzählige Momente, in denen die Balance für einen kurzen Moment auf einem Bein ruhte, um von hier aus mit einem schnellen weiteren Schritt agieren zu können. Wer an dieser Stelle bereits kippte, der brauchte keinen Gegner, der brachte sich schon allein zu Fall.

Also übte ich. Mein Körper besaß alle Voraussetzungen für diese Balance, ich musste ihn nur noch davon überzeugen …

Künste besitzen Geheimnisse, die innerhalb des Tuns ihre Wirksamkeit entfalten. Sie helfen uns, nicht stehen zu bleiben. Sie helfen uns, die Fäden aufzunehmen, um in unserem Selbst stetig zu wachsen.

Wenn ich irgendwann es schaffe, auf einem Bein mein Schwert zu schlagen, dann liegt nicht der wichtige Punkt darin, meine Übung als eine gemeisterte abhaken zu können.

Der wichtige Punkt liegt darin, mit jeder weiteren Übung eine Tür aufzubehalten, durch die innerer Wandel geschieht …