Signum

Der Schwerpunkt senkte sich. Das wohlige Gefühl der Entspannung floss wie eine Welle durch meinen Körper. Im Seiza verwandelte sich das Bunte der spielerischen Stunden in einen fließenden Nachhall, der jeden Muskel berührte. Schön. Zufrieden öffnete ich meine Augen. Mein Blick fiel auf das neben mir liegende Schwert.

Ein klein wenig mitgenommen sah es aus. Seit einiger Zeit besaß der vordere Teil ein schwarzes Tape, damit die Wucht beim Aufeinandertreffen die inneren Fasern nicht noch weiter löste. Irgendwie verlor ich niemals darüber einen Gedanken, dass so etwas notwendig werden könnte, schließlich wurde der Bokken extra aus langsam wachsenden Holz geschnitten.

Ich strich mit den Fingern über die tief liegenden Maserungen, die mir so gut gefielen. Das Schwert war für mich wunderschön, aber im besonderen Maße nicht aus der Betrachtung des Äußeren heraus, sondern hauptsächlich durch das mir Vertraute im Tun. Trug es mich nicht schon unzählige Stunden wie ein Wind durch die Formen und löste dadurch nicht nur die selbst gestellten Aufgaben, sondern auch viel Tieferliegendes?

Wenn das Zusammenführen von Körper und Geist alles erforderte und sich dieser Moment nicht mit weniger zufriedengab … wenn Gänsehaut mich erfasste und Wirbel die Bedeutung von Energien lehrten … wenn dadurch die Tür aufschlug, die den Strom des Da-Seins so unfassbar golden färbte, sind Blessuren dann noch wichtig?

Ich glaube nicht.

Wir tauchen in die blau-grüne Tiefe der verwunschenen Wasserwelten, wir steigen in gewaltige Höhenzüge und wir verlieren uns in den trockenen Weiten der grasigen Steppen. So suchen wir, so finden wir, jeder woanders, und doch ist es immer das Gleiche:

„Wirklich <ganz> ist der Mensch, dessen Selbst das in ihm verkörperte Wesen verwirklicht.“[1]

Das ist ein Geheimnis, das für mich noch der Betrachtung bedarf. Aber es fühlt sich an, als stünde ich an einem frühen Morgen barfuß auf den Tautropfen der Nacht.

Wundervoll aufregend …

[1] Karlfried Graf Dürckheim: Hara; Die energetische Mitte des Menschen, München, 2012, S. 26.


Anm. z. Titel: Signum = lat. für Zeichen                  

Meine Hand strich wieder über das schwarze Tape. Wenn das Band zerstört ist, werde ich es erneuern. Es gab so vieles in der Welt, so vieles, das sich nicht so zeigt, aber trotzdem da ist. Das wirklich, wirklich Wichtige können unsere Augen nicht sehen.