Echse, Schlange oder Artefakt?

Schwarze Hände, helles Licht, leises Gewusel um mich herum, Frühling; die Rotkehlchen hatten mich entdeckt und beäugten sehr interessiert nur eine Armeslänge entfernt mein Tun. Sobald ich meinen Fokus zur Seite wandte, wagten sie einen kleinen Sprung und sammelten aufgeregt leckere Fundstücke aus der von mir getürmten Erde, als läge dort ein frisch duftendes Brot mit saftigen Rosinen.

Der rötliche Schein der Abendsonne traf uns hier unten und lockte meinen Blick für einen Moment in die Ferne. Restliche Wärme floss im Kontrast über die Kühle des Erdbodens. Wir befanden uns genau dazwischen, zwischen den Elementen, inmitten, oder? Ich stockte in meinen Bewegungen.

Welchen Sinn machte es, Strukturen erkennen zu wollen? War es nicht einfacher, sich wie ein kleiner Vogel mit Begeisterung in das Leben hinein zu werfen? Wurde diese Welt dadurch anders, weil ich wusste, dass hinterm Horizont die Unendlichkeit wartet oder weil ich wusste, warum diese wundervollen Farben entstanden oder weil ich wusste, dass dieses Licht am nächsten Tag ganz bestimmt da war?

Ich schaute wieder zu dem Hin und Her direkt vor mir. Verspielt rollten Erdkrumen zu allen Seiten des kleinen Erdhügels herunter, als beobachtete ich gemeinsames spielerisches Tun, das einfach so irgendwo und irgendwie seinen Ausdruck fand.

Genau! So soll es sein! Ganz einfach und spielerisch inmitten eines allgemeinen Wohlbefindens … egal, wo es sich befindet, sei es hier draußen oder in mir.

Begeistert arbeitete ich weiter; denn gemeinsam war es wunderschön, dies Aufheben, Freilegen, Angleichen und immer wieder darüber Streichen, um das sichtbare Ergebnis in einem Fühlen einzufassen, als bekäme es damit einen Rahmen.

Zufrieden betrachte ich mein Werk: eine neue fertige Stufe …

PHOTO by Margot Noyelle on Unsplash

Wir bauen Tag für Tag an dem, was sich irgendwie gut anfühlt. Im Grunde sind wir sinnorientierte Wesen, nur manchmal ist uns dies nicht wirklich klar, sei es mit dem, was wir tun oder was uns widerfährt.

Viel zu leicht überkommt uns manchmal der dramatische Hang sich in einer Sackgasse zu verheddern; wir haben dann vergessen, dass es niemals nur eine einzige Sache ist, ein Dies oder Das, was uns fehlen könnte, damit es uns gut geht.

Das „Problem“ liegt oftmals schlicht und einfach in der Tatsache, dass wir nicht wissen, was uns denn dies Wohlbefinden überhaupt ermöglicht. Übernommene Muster gaukeln uns eine Notwendigkeit vor, die wir gar nicht brauchen, anderes erscheint uns im Gegensatz dazu so manches Mal fantastisch unerheblich, sodass wir es nicht einmal ausprobieren.

Aber wir lernen! Wir verändern uns, Tag für Tag, Stunde für Stunde. Wenn wir dann in einem stillen Moment unsere Haut betrachten, besitzt sie ein neues Funkeln, das uns aufgeregt entgegenglitzert bis Worte vom Himmel fallen, die irgendwann und irgendwo einer von uns fand:

Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne …

Der Eine ist Hermann Hesse (1877-1962)

in seinem wunderschönen Gedicht „Stufen“


Anm. z. Titel:

Echsen häuten sich in Fetzen, Schlangen in einem Stück und Artefakte bleiben wie sie sind bis der Verfall eine Veränderung bewirkt …

Unser Wohlbefinden ist nach Martin Seligmann (Pos. Psychologie 1998) multidimensional und setzt sich optimalerweise aus einer guten Mischung von hedonistischen und eudämonistischen Aspekten zusammen:

Hedonistisch: „Der Sinn einer bestimmten Sache oder Aktivität sind Spaß, Freude, Lust oder andere positive Gefühle. Negative Gefühle oder Erfahrungen sollen hingegen vermieden werden“

https://neueswort.de/hedonistisch/#wbounce-modal

Eudämonistisch: „Selbstbestimmung, das Vorhandensein von Zielen und Perspektiven, eine andauernde persönliche Entwicklung, Kenntnis und Akzeptanz der eigenen Stärken und Schwächen, die Fähigkeit, sein Leben und seine Umgebung erfolgreich zu gestalten, Vorhandensein von engen zwischenmenschlichen Kontakten“ (Ryff & Singer, 2008)

https://www.gluecksdetektiv.de/eudaemonie-die-lehre-vom-gelingenden-leben/