Wandel, ganz einfach so …

Von null auf hundert! Mein Puls war nicht bereit, irgendwo im unteren Bereich herum zu trödeln. Er wollte voll dabei sein. Ohne irgendetwas getan zu haben, veränderte sich etwas in mir; nur, weil ich mich auf das Kommende konzentrierte.

Mit dem seitlich erhobenen Schwert stieß ich mich vom hinteren Bein ab und warf mich hinein: Sechs Schritte Distanz galt es zu überbrücken. Im Grunde überhaupt nicht viel, also relativ gesehen. Nicht viel, wenn ich mich von hier nach dort bewegte, aber ziemlich viel für das eigene Gefühl, wenn am Ende ein Vorsatz zur Ausführung gebracht werden sollte.

Da die Situation von zwei Seiten aus gleichzeitig begann, verminderten sich sechs Schritte Distanz in nur noch drei, was zeitlich und streckentechnisch gesehen die Hälfte bedeutete, aber mental gesehen den Handlungsdruck vervielfachte.

Es war eine Übung … und trotzdem! Der Körper schien diesen winzigen Aspekt absolut ignorieren zu wollen und schaltete sofort in den eigenständigen Modus: Tief atmend kreuzten sich mit einem satten Aufeinanderprallen die Schwerter; Zentrum an Zentrum; ein Da-Sein in seiner absoluten Präsenz. Die soeben noch wahrgenommene Distanz löste sich in Luft auf und verschwand wie der Ruf eines Vogels innerhalb seines Schalls.

Warum wandelte ein gegenseitiges Zuschreiten vor der Technik das eigene Empfinden? Was ist anders?

In einem Kampf ist es überhaupt keine Frage. In einem Kampf übernimmt man Raum, um derjenige zu sein, der mit der heilen Haut davon kommt. Aber ich kämpfe doch nicht. Ich trainiere hier ganz friedlich!

Nun ja, wenn ich auf jemanden zustürme, dann trete ich abrupt in den Bereich des anderen. Ich weiß nicht wirklich, wie es dort aussieht. Vielleicht sind alle Stühle besetzt, die für Gäste gedacht sind, da braucht es schon ein wenig Selbstbewusstsein, locker herum zu stehen. Es ist im Grunde der innere freie Fall mit der Hoffnung, dass sich Flügel als funktionstüchtig erweisen.

Und mein Körper weiß das.

Es gilt also zuzuhören … vor allem mir selbst.

In der zweiten Serie des Kashima Shin-ryu Ken-jutsu wird mit einer weiteren Distanz begonnen, sodass sich die Übenden aufeinander zubewegen müssen, bevor eine Form ausgeführt werden kann. Die Herausforderung katapultiert sich damit auf eine andere Stufe. Innere Prinzipien treten deutlich zu Tage und müssen erst einmal verarbeitet werden. Für so manchen ist es eine Reise auf unbekanntem Land.

Warum handeln wir auf diese oder andere Weise? Warum hakt es hier oder dort? Es lohnt sich, sich selbst auszuprobieren, das eigene Tun von oben anzuschauen und immer und immer wieder sich im Tun zu üben.

Unser Körper ist ein Geschenk und unser Geist ist ein Geschenk. Zusammen sind sie ein unschlagbares Team, das nicht nur gelernten Mustern folgt, sondern auch im perfekten Zusammenspiel eigene zaubern kann …