Des Weges Muster

Ihr Lachen steckte sofort an. Es gab diese Menschen, die nicht nur mit ihrem Mundwinkeln und Augen lachten, sie lachten mit jeder Faser, als zöge ein riesiger Staubsauger die Bilder zu einem Laserstrahl zusammen, um es dem Gegenüber mit Begeisterung zu schenken. Ich kannte sie nicht, noch nicht. Offensichtlich änderte sich diese Tatsache gerade jetzt.

Als wäre es das Normalste der Welt, stieg mein Gegenüber mit einem großen Schritt in meine kleine Küche, zupfte mit einem prüfenden Blick meine nickende Zustimmung aus dem meinigen und besetzte wie ein völlig selbstsicherer Umweltaktivist die andere Ecke der Fensterbank.

„Ich bin Veyla, deine Nachbarin; also auf der Seite.“ Mit einer ungefähren Handbewegung verwies sie nach links und drückte mir dabei auf halbem Wege meinen Würfel wieder in die Hand. Als wäre damit alles gesagt, was es zu sagen gab, nickte sie und schaute einen Moment versonnen in das warme Morgenlicht.

„Schön hast du es hier! Bei mir ist die Sonne erst viel später …“

Ich betrachtete meine Nachbarin und wartete. Irgendwie haftete das Verblüffte noch immer in meinem Sinn. Gerade eben umkreisten meine zufriedenen Gedanken die kleine grüne Welt eines Hinterhofes. Und nun? Nun schien genau diese Tatsache an verwobene Stränge gezogen zu haben.

Veyla erwiderte meinen Blick und lachte:

„Ich weiß, ein Überfall! Verzeih mir, normalerweise wäre ich nicht so … ich wohne hier schon seit drei Monaten und kenne noch immer keinen … und heute Morgen sah ich, dass vor jeder Tür der Etage das gleiche Päckchen lag.“

Ich nahm ihren Würfel in die Hand und betrachtete ihn. Unzählige Kratzer und Furchen durchzogen die Seite mit der Rille! Jetzt musste ich auch lachen, zwei Menschen ein Gedanke!

Wortlos hielt ich ihr meinen Zeigefinger mit dem abgebrochenen Nagel hin. Sie betrachtete ihn und hielt mir als Antwort ihre eigenen Zeigefinger entgegen, als wären wir Pfadfinderinnen mit einem Geheimcode.

„Kaffee?“

„Unbedingt!“

Photo by Sebastien Dottin on Unsplash

Die Welt verändert sich mit jedem Moment und jeder Moment besitzt seine Bedeutung … daran könnte ich vorbei gehen oder auch nicht. Ein Entweder-oder einer Entscheidung zeichnet eine Kreuzung mit allen Möglichkeiten des Anhaltens, des Betrachtens, des Überprüfens und sogleich Entscheidens. Egal, wohin mich mein Weg führt, er ist für andere ebenso da. Wir sollten nicht überrascht sein, wenn uns diese genau hier begegnen.

Vielleicht kreuzen sich unsere Spuren und wir sehen uns nur kurz, bevor wir aneinander vorbei gehen oder aber, wir gehen gemeinsam für eine Weile. Das Besondere an diesem Netz, dieser Matrix der Verbindungen, erscheint mir darin zu liegen, dass sie in ihrer Offenheit trotzdem alle umfasst.

Einige Menschen können wir sehen, einige hören und einige mit ihrer ausdrucksstarken Präsenz auch spüren. Wir sind verbunden, ob wir es wollen oder nicht. Es gibt hier keine Pole, die sich gegenüberstehen, als seien es Cowboys auf der staubigen Straße im Nirgendwo.

Jedes Lächeln erweitert die Sicht; jedes gute Wort versinkt strahlend ins Zwerchfell und jede sachte Berührung wird sich für alle Zeiten in unseren Zellen verewigen.

So ist es … und irgendwann wird es auch nicht mehr infrage gestellt.

be continued …