Sowohl-Als-Auch

Es wanderte, wohin es wollte: Der Mond war nicht zu weit, die Ameise nicht zu klein, tiefsinnige Rechenformeln nicht zu lang und der Marianengraben nicht zu tief; unser Bewusstsein turnte herum, wie und wo und soweit es unsere Phantasie erlaubte.

So stand ich während einer Übung auf meiner Matte und betrachtete es, dies phänomenale Werkzeug: Zuerst zeigte es sich in der Schulter, dann im rechten Ellenbogen und schließlich im Rücken, der angestrengt vom Tag erzählte. Es fühlte sich so an, als inspizierte das Ich ein neues Sommerhaus, dessen Fenster überall zum Lüften offen standen; nichts war zu hören als die beruhigende Gleichmäßigkeit des Herzens.

Ein Hinweis unseres Lehrers unterbrach dies Wandern und verwies in eine neue Richtung: Die Fingerspitzen der linken Hand! Jetzt musste ich fast lachen, wie ein wuseliger Haufen verspielter Insekten zog sich mein Empfinden in diese Richtung. Selbst das Herz kam mit, ich konnte sein Pochen in meinen Fingern spüren; je länger mein Sinn dort verharrte, umso wärmer wurde die Haut, als läge sie zur Mittagszeit an dem weitläufigen Strand des Hauses.

Erneut gab es einen Hinweis und alle Fenster klappten mit einem lautlosen Knall zu. Das Bewusstsein stand nun außerhalb. Es betrachtete die Finger an den Händen, die jetzt den Drehungen des Oberkörpers folgten; immer wieder, erst ganz leicht, dann ein klein wenig mehr. Passiv bewegten sich die Arme durch die Körperrotation, als flögen sie mit dem Wind, der landeinwärts mit dem Strandhafer Wirbel zeichnet.

So und nun? Nachdenklich ließ ich den Körper wieder zur Ruhe kommen. Nun sollte ich etwas tun, wovon ich nicht wirklich eine Vorstellung besaß. Ich starrte aufs innere Muster, als wäre ich Hemingways Fischer Santiago: Die Gewissheit war da, dass etwas sein würde und sei es in einer mir noch unbekannten Ferne. Ich durfte nur nicht darüber nachdenken.

Mit all ihrer Kraft füllten Wind und Sonne das Bild; sie brauchten weder Tür noch Tor, denn das Salz des Meeres war schon da.

Unser Lehrer erklärte uns das Prinzip des aktiven und passiven Bewegens. Das ist echt nicht leicht. Vielleicht ist es wie mit dem Erlernen des Fahrradfahrens; es kommt einem so unglaublich schwierig vor, auf viele Dinge gleichzeitig zu achten und plötzlich klappt es.

Die aktive Bewegung entsteht, wenn wir unseren Körper als Verlängerung des Geistes betrachten, sodass das Bewusstsein z. B. in den Fingerspitzen liegt und von dort aus wie in einer Schaltzentrale das Tun bestimmt. Die passive Bewegung entsteht, wenn wir z. B. das Rotieren der Arme aus der Hüfte heraus geschehen lassen; die Arme sind dann ein Teil des Körpers und agieren nicht unabhängig von diesem. Das Zentrum führt die Bewegung aus. Tja, und dann beides gleichzeitig …

Intuitiv konnte ich mir sehr wohl vorstellen, was gemeint war, schließlich kannte ich das Ergebnis von den Vorführungen der Fortgeschrittenen; die Bewegungen waren nicht nur elegant durch ihre Genauigkeit, sondern auch kraftvoll und effektiv in der Umsetzung, als bewegten sie sich auf einem Spannungsbogen, der die Richtung wies.

Also gab es einen Weg, dies alles zu lernen …

meiner führte halt am Meer vorbei.