Des Spiegels Sicht

Da war es wieder … dies Hineinfassen von der anderen Seite in das, was meine Wirklichkeit ausmachte. Zusammengebastelte Vorstellungen umrissen Tatsachen und schienen mit ihnen ein Spiel zu spielen, das ich nicht verstand.

So schnell konnte ich doch nicht lernen, um mir all das zu erklären, was um mich herum geschah! Eines wusste ich mittlerweile: Nur im tiefsten Kern unseres Selbst fanden wir den Beginn von Himmel und Erde, den konnte niemand für einen anderen finden, geschweige denn erklären.

Also musste ich lernen. Lernen, um wenigsten das eigene Wirken zu verstehen. Was bestimmte Handeln und Gedanken? Wie sehr glaubten wir daran, dass all die Dinge, die wir sahen und fühlten, genau so ihre Schlaufen zogen?

War grün wirklich grün oder nur ein Zusammentreffen von blau und gelb? War es ein Schein eines Scheins, der mir ein Lächeln entlockte, wann immer ich ihn sah?

Schmolz die Schneeflocke auf meiner Haut als eines der prachtvollsten Kunstwerke unserer Erde oder kreuzte ein verwirbelter, manifestierter Gedanke eines anderen meinen Weg?

Was geschah wirklich, wenn mir mein Gegenüber mit seiner fokussierten Aufmerksamkeit auf wundersame Weise ein Lächeln entlockte? War es tatsächlich nur Aktion und Reaktion einer äußeren Begebenheit, die dann in den runden Kugeln der Erinnerung auf Betrachtung wartete?

Um Antworten aus der Natur zu erhalten, beobachten wir sie. Für die Antworten von uns selbst rühren wir mit dem spitzen Finger in einem von außen vorgegebenen Raster: Es ist ein Sortieren und Puzzeln, bis es mit ein klein wenig Schummelei irgendwie in die Vorstellung passt.

Waren Gedanken nur ein mich überfallender Wust verdrehter Empfindungen, die gleich einem hungrigen Wolf die friedlich schlafenden Schafe hochscheuchte? Oder besaß ich mit ihnen das ultimative Werkzeug für Gegenwart und Zukunft, die ganz allein in meinen Händen lag?

Der Unterschied zwischen Wirklichkeit und Realität begrenzt oder beschützt oder beides, je nach dem, was wir suchen …

Was wäre, wenn das Empfinden in uns selbst, also dasjenige, das vor unseren beschreibenden Worten existierte, überhaupt keine selbstgebastelte Wirklichkeit wäre, sondern eine Facette der Realität, die sehr wohl ihre reale Berechtigung besaß, nur der verfälschenden Mehrdeutigkeit von Worten ausgesetzt war?

Stünde ich jetzt auf dem Mars, verliefen die Bahnen der Sterne für mich in anderen Bildern, als von der Erde aus betrachtet; der eine Standpunkt ist nicht minder real als der andere, oder?

Foto von James Wheeler von Pexels

Wir besitzen in jedem Moment die Freiheit, durch den selbst hochgehaltenen Spiegel zu gehen. Doch sollten wir nicht überrascht sein, wenn die Welt plötzlich direkt in unser Herz schaut …