Tja, die haben es drauf. Wusste ich es doch. Ratten sind Überlebenskünstler und seit spätestens Disneys Film Ratatouille besitzen sie auch die Eigenschaft, echt süß und knuddelig zu sein. Wahrscheinlich wird es noch diese Nager geben, wenn der Mensch schon lange Geschichte ist. Sie finden eigentlich immer Futter oder ein Nest mit Wärme, denn sie denken praktisch und wägen die Gegebenheiten ab, ohne sich von irgendwelchen Überlegungen ablenken zu lassen.
Da sind wir anders. Es fängt schon mit dem Einschätzen von Wahrscheinlichkeiten an; das ist nicht wirklich unsers: In einer Versuchsreihe, in der über oder unter einer Linie Lichter aufblinkten, sollten Versuchspersonen (VP) einschätzen, wo das nächste Licht erscheinen würde. Der Versuchsleiter stellte ein Verhältnis von 80/20 ein. Die VPs lagen mit ihrer Einschätzung nur bei einer Trefferquote von 67 %. Die Ratten waren besser.[1]
Denn Tiere maximieren. Das heißt, sie wählen einfach die Seite, die am häufigsten auftritt. So bekamen die Ratten nach einer Zeit des Ausprobierens 80% des Futters, da sie einfach immer die Seite nahmen, die das meiste abwarf.
So was könnten wir ja auch tun, machen wir aber nicht. Hätte die rechte Gehirnhälfte das alleinige Bestimmungsrecht, dann hätten wir auch unsere 80 %. Sie ist aber ein Teamplayer und muss mit den Bedürfnissen der linken Seite leben. Diese steht nämlich mit nachdenklichem Gesichtsausdruck da und möchte unbedingt wissen, warum denn diese Häufigkeitsverteilung so ist, wie sie ist und bastelt sich eine subjektive Theorie. Das Chaos muss doch ein Muster haben!
Nun gut, in Sachen Futter-Beschaffung sind wir nicht gerade die Leuchten; trotzdem bin ich ganz zufrieden, dass wir die linke Seite unseres Hirns besitzen, denn es gibt in der Welt unglaublich viele feststehende Muster, die auf Ursache und Wirkung beruhen. Deswegen wissen wir zum Beispiel, warum der Regenbogen rund ist, die Sterne leuchten und Maikäfer an lauen Frühlingsabenden so wunderbar brummen. Ziemlich viele coole Dinge hätten wir sonst nie herausgefunden.
Nicht ganz so cool ist, dass wir diese linke Seite, diesen Interpretierer in uns, nicht einmal bitten können, im Nebenraum ein Tässchen Kaffee zu trinken und sich eine Auszeit zu nehmen. Ständig muss er dabei sein und alles wird kommentiert, da wird nichts ausgelassen.
Alles, was uns auffällt, sei es in einem Außen oder als Emotion in uns selbst, unterliegt diesem Aschenputtel-Prinzip des Auseinandersortierens und wird im Zusammenhang mit uns selbst gebracht. Da kann das Gegenüber schlecht drauf sein und das Erstbeste was uns einfällt, ist die unverrückbare Tatsache, dass es etwas mit uns zu tun hat.
Sobald etwas schlüssig erscheint, nehmen wir es als Tatsache. Wir schützen uns mit einer Theorie, da sonst der Interpretierer völlig unrund wird.
Deshalb sind Informationen wichtig; sie helfen, den Blick zu schärfen. Nun gut, nicht immer tragen sie zur Klärung der Sachlage bei, manchmal schildern sie auch nur einfach den Zustand des Informanten …
„Die Chips liegen da hinten, reichst du sie mir mal bitte rüber?“ …

[1] Aus: Michael Gazzaniga, Die Ich-Illusion, Wie Bewusstsein und freier Wille entstehen, München, 2012, S. 99.