Wahrscheinlich ist jeder Mensch dem Schönen zugeneigt; manchmal erscheint es mir, als wäre dies so Empfundene besonders leicht, als besäße es kein Eigengewicht. Die innewohnende Ausstrahlung trägt es und lässt ein Wohlgefühl entstehen, das uns angenehm einfügt; genau dort, wo wir stehen, mit dem, was wir tun …
Etwas verschmitzt fragte unsere Lehrerin in die Runde, ob wir eine Kata mit besonders schönen Bewegungen lernen wollten. Ich musste lachen; sie könnte genauso gut Grundschüler fragen, ob sie sich über eine Kiste Ü-Eier freuen würden …
Heute war es kühl, doch mit der Aufwärmphase und den ersten hundert Bokken-Schlägen merkten wir es nicht mehr. Konzentriert schaute ich auf meine Hände, die das Schwert hielten. Immer wieder war es ein Austarieren, ein Zusammenziehen des Bewussten, um ein Gefühl für das Tun erlangen zu können. Ich empfand es niemals als ein einfaches Hinstellen und Loslegen; vielleicht war genau diese Tatsache der Punkt, den ich im Umgang mit den Waffen schätzte: Nur mit Klarheit um jeden Handstreich, um jeden abschweifenden Gedanken, um die Verbindung, die wir als Mensch mit der Welt jeder Zeit eingingen, fand die Bewegung ihr Ziel.
Es galt nun, das Schwert im Bogen nach links zu klappen, um dann mit einem tiefen Schritt zur rechten Seite dem Gegenüber die quer verlaufende Schneide über den Körper zu ziehen. Der waagerechte Schnitt nahm mit einer weiten Bewegung seinen Schwung, bis das Schwert in Schulterhöhe als Verlängerung des eigenen Armes zu sehen war. Wären wir mit unseren Gis im Dojo, dann hinge das Geräusch getroffenen Stoffes in der Luft; vorausgesetzt der Angreifer zog rechtzeitig seinen Bauch ein.
Nun, beim Erlernen, hielten wir an dieser Stelle einen kleinen Moment inne. Blieb die Achse gerade? Zog mich der Schwung des Schwertes zu sehr zur Seite oder behielt das Zentrum seinen Platz? Fokussiert verharrte der Körper in einem gefühlt luftleeren Raum; fast schwebend in einer tiefen Haltung mit dem ausgestreckten Schwert nach rechts. Die Balance war da, gleich einem Seiltänzer, der mit seinem Stab in den Händen die Mitte fand.
Das gute Gefühl der Kontrolle, obwohl so viele Dinge auf einmal geschahen, überzeichnete einen kleinen Moment das Empfinden. Eine Form von Harmonie schwimmt dann in der Bewegung mit und zeigt uns die vor uns liegenden Möglichkeiten. Vielleicht bemerken wir gerade an solchen Stellen die Anknüpfungspunkte unserer Gedanken mit dem Tun, denn wir sind voll und ganz da.
In einem Bogen über den Kopf geführt, fand die Form mit einem schrägen Schlag einen endgültigen Schlusspunkt. Das Gewicht des Körpers verlagerte sich anschließend auf den linken Fuß und besetzte mit der eigenen Präsenz den Raum des Miteinanders.
Neues zu erlernen ist aufregend. Es ist ein Herantasten, als ginge man im Dunkeln einen noch unbekannten Weg. Mit jeder Sekunde erwarten wir etwas Unvorhergesehenes, etwas, das unseren Pfad kreuzt oder an einem Weitergehen hindert. Manchmal wünschen wir uns eine Laterne und merken gar nicht, dass wir eine in unseren Händen halten.
Wenn sich dies unglaublich runde Gefühl der Harmonie in unserem Sonnengeflecht ausbreitete, wenn Zufriedenheit auf unserem Gesicht seinen Widerschein fand, wenn sich etwas einfach unheimlich gut anfühlte, dann konnten wir diesen Weg gehen …
er war hell und wunderschön …

Diese winzige Abfolge dauerte keine drei Sekunden und doch weitete sie sich in sich aus; so viele Komponenten besaßen ihren Platz darin. Gleich der kleinen magischen Tasche, die Hermine einmal in den Harry Potter-Abenteuern mit sich trug, ließen sich in Kleinigkeiten ganze Welten verstauen. Das darin verborgene Geheimnis zeigte sich aber nur, wenn wir niemals aufgaben danach zu suchen.
Vielleicht lag gerade in der Gewissheit der unzähligen wunderbaren Möglichkeiten die eigentliche Schönheit.
In der Meta-Ebene braucht man nicht viel Worte, um viel zu sagen. Und wenn wir noch weiter gehen, dann liegt alleine in dem kleinen Wort Gott oder Allmacht die ganze Welt von ihrem Anfang bis in alle Ewigkeit umfangen.
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Schön beschrieben! Danke Dir, Werner. Lieben Gruß, Christine
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