Es ist nicht das Sagen umwobene weiße Blatt Papier, es ist nicht das Fehlen an Geschichten, die noch nicht stattfanden und es ist auch nicht abhandengekommener Mut, um Wahrheiten bildhaft ihren Lauf zu lassen. Es ist der Bruch im Weltengeschehen, der Lücken offenbart, die vorher nicht sichtbar waren. Er macht sprachlos, fassungslos und lässt das Innere fast zum Stillstand kommen. Raue Ränder einer Kluft zwischen Mensch und Welt verletzen, wenn die eigene Bewegung zu große Schlaufen zieht.
Tägliche Informationen speisen die Gedanken, als käme ein Tsunami über uns, der sich seiner Macht bewusst ist und auch vorhat, sie allumfassend auszuspielen. Ein Verharren schenkt den Moment des Staunens, doch erlaubt es auch einem Außen uns völlig einzunehmen. Je mehr wir die Flut betrachten, umso mehr versinken wir darin. Es schließt unsere Sinne: Augen sehen nichts anderes, Ohren hören nichts anderes und Zungen reden nichts anderes. Nur Medusas Blick ist noch schlimmer, ein steinernes Herz schlägt nicht mehr; Leben ist dann woanders.
So halten wir inne und betrachten das Gewaltige. Versunken in dem, was kommen mag, bemerken wir nicht, dass unsere Füße auf Fluttoren stehen, deren verzierte Schlüssel in unseren Hosentaschen liegen …

Odins Raben sind Hugin und Munin.
Hugin steht für die Gedanken, die stetig auf uns niederprasseln; sie führen uns zu dem, was noch zu tun ist, was passiert, wenn … und ähnlichen Überlegungen. Sie bauen eine Wirklichkeit, die keinesfalls so allumfassend ist, wie sie es uns verkaufen will. Alles andere ist trotzdem da und hält uns, wenn wir es zulassen, doch dafür müssen wir das verbindende Band fest umschließen.
Munin steht für die Erinnerungen, in denen wir schwelgen, die uns einen Film zeigen, als säßen wir im Kino mit Popcorn in der Hand. Bessere, vergangene Zeiten haben einen Fehler: Sie sind vergangen.
Es ist Zeit, Hugin und Munin nach Hause zu holen. Sie dürfen auf unseren Schultern sitzen und mit uns gemeinsam nach oben blicken: Ein blauer Himmel umfasst uns, trägt uns und schenkt uns Freiheit; Freiheit zum Handeln, Lieben und Leben!
Photo by Peter Lloyd on Unsplash
Mit beiden Füßen fest auf der Erde stehend, sich mit dem Urgrund verbinden. Sie ist es die uns versorgt, nährt und tröstet. Ragt der Kopf in die Wolken, wurzeln die Füße im Urgrund – so wird es gut.
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Danke Susanne! Du hast vollkommen recht! So wird es gut.
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Liebe Christine, ein wunderbares Foto und ein wunderbarer Text. Herzensgrüße, Susanne
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Liebe Susanne, vielen, vielen Dank! Das Lob für das Foto gehört Peter Lloyd, der es zur freien Verfügung stellte, aber ich war auch sofort sehr angetan von dieser wunderbaren Aufnahme eines so ausdrucksstarken Wesens, das in meinen Augen gut die Vorlage für solch mythische Geschöpfe hätte sein können. Lieben Gruß, Christine
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Hugin und Munin auf unsere Schultern zu holen, d.h. Odin gleich sein wollen, bedeutet aber auch, dass wir etwas opfern müssen. Odin gab als einen Pfand für die Erlangung der Weisheit ein Auge. Vielleicht, weil er wusste, dass Hugin und Munin ihm von allem Geschehen auf der Welt berichten würden?
Haben wir denn auch alle solche verlässlichen Helfer, auf die wir uns verlassen könnten? Und was sind wir bereit, zu opfern?
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Natürlich möchte ich nicht so vermessen sein, den Menschen einem Gott gleich zu setzen. Doch wohnt das Schöpferische nicht auch in uns? Sind wir es nicht selbst, die das Leben in etwas Helles oder Dunkles verwandeln? Ja, wir müssen etwas opfern! Wir opfern das Bequeme, das Einfach-sein-lassen, das Ich-hab-grad-keine-Zeit und das Mir-ist-grad-nicht-danach. Wir müssen uns zusammen nehmen, damit Gedanken und Erinnerungen uns nicht wie eine Flut überschwemmen. Wir sollten das Hier und Jetzt betrachten und unsere Möglichkeiten trotz all der Umstände genießen, denn Leben ist genau vor unserer Nase, in dieser Zusammensetzung und wird uns so, mit all diesen Besonderheiten dieses Zeitpunktes, nicht wieder unterbreitet werden.
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Ja, Christine, das Leben ist ein einmaliges Angebot, und nur wir selbst können es uns so oder so gestalten und unseren Weg dadurch und darin finden, wenn wir das Jetzt gegen das Vergangene abwägen. Denn nur so können wir unseren Weg und unsere Zukunft bestimmen.
Danke für Deine Gedanken.
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“ … unseren Weg dadurch und darin finden …“ das ist echt eine schöne Beschreibung, Werner. Danke Dir für Deine Überlegungen! Lieben Gruß, Christine
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