Verborgen, aber immer da

Der leichte Geruch des verbrannten Lavendels weckte mich. Ganz sanft, ganz leise, als striche er mit dem hellen Rauch über meine Haare. Tief eingewickelt in eine weiche Decke lag ich bequem im großen Sessel und genoss  das wolkige Gefühl des langsam Wach-Werdens. Mein erster Blick fiel auf den gewaltigen alten offenen Kamin; Glut zerknisterte noch die letzten Reste des Holzes, das die ganze Nacht gebrannt haben musste. Langsam kam die Erinnerung wieder.

Spät in der Nacht erreichte ich den Rand des Dorfes in den Bergen. Mit meinem kleinen Auto war ich bereits viel zu lange unterwegs und konnte meine Müdigkeit kaum in den Griff bekommen. Obwohl Edda nicht wusste, wann ich kam, obwohl ich sie nicht angerufen hatte, weil ich sie schon längst im Schlaf vermutete, stand sie da mit einem hellen wachen Lächeln im Gesicht und führte mich an das Feuer. Eine heiße Suppe stand bereits in eine Schale gefüllt, ein fertiger Tee dampfte auf dem Stövchen und orangene Flammen spielten mit dem Holz, als hätten sie sich auf einem Spielplatz verabredet.

Mit ihren knochigen Händen umstrich meine Tante mein Gesicht, betrachtete jede Kleinigkeit in meinem Ausdruck und legte mir eine Strähne zur Seite.

„Das Grün deiner Augen ist dunkler geworden, meine Süße.“

Stürmisch umarmte ich meine Tante, am liebsten hätte ich sie nicht loslassen wollen, doch Peter, ein uralter großer Kater maunzte bereits zu meinen Füßen und wollte auch begrüßt werden.

Die Stunden der Nacht verflogen mit den Kräutern, die Edda immer wieder in die Flammen warf. Manches verglomm bereits, bevor es auf den Scheiten ankam, manches verzauberte die Luft um uns herum und manches stieg als Funken in den Kaminschacht, um unter den Sternen mit seiner Schönheit die Dunkelheit zu erhellen. Worte wurden zu Bildern, Gesten zu Ausdruck des Empfindens und Vergangenheit sammelte das Prickeln der Zeit.

Ich schloss meine Augen. Das Schnurren des Katers, der nun zu meinen Füßen lag, erinnerte mich an ein melodisches Summen meiner Tante, das mich irgendwann in der Nacht einfing und in meine Träume trug. Liebe umschlang mich.

So fühlt es sich an, das Herz der Welt …

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