Ein bisschen für echt viel

Alter Schwede, das war krass! Fünf Minuten mit der Faszienrolle hörten sich total einfach an und ich ächzte herum, als hätte ich noch nie Sport gemacht. Am besten sollte ich mit meinem gesamten Körpergewicht den Druckpunkt finden. So viel wog ich doch nicht! Bestimmt dreimal las ich nach; es durfte und sollte ruhig wehtun. Es war dann eher ein Zeichen für die fehlende Elastizität und zeigte mir unverschleiert auf, dass nicht etwas Fluffiges meine Muskeln umhüllte, sondern ein platt gedrückter, dröger Schwamm, der durstend vor sich her dämmerte.

Danach gab es noch die zehnminütige Dehnübung und fertig. Der Haken: Das sollte nun an sechs Tagen der Woche geschehen. Meine Lieblingsvorstellung war dabei noch ein Lächeln zu produzieren, aber das war vermutlich zu viel verlangt. Langsam stand ich auf und horchte in mich hinein. Hey, ich fühlte mich leichter und wesentlich beweglicher. Jetzt hatte ich mein Lächeln!

Im Grunde war es nichts Neues, was man so alles Gutes tun konnte. Nur der Schritt zur Umsetzung brauchte dies innerliche „jetzt sofort oder du darfst nie wieder Schokolade essen“ oder „wenn du dich jetzt nicht bewegst, dann spreche ich nie wieder mit dir“ oder „das schafft jeder andere, also was hindert dich? “. Mir fielen noch viel mehr von diesen komplett sinnfreien Motivationssprüchen ein, denn zuquatschen konnte ich mich.

Wobei ich sagen muss, die brauchte ich diesmal nicht, da mich beim Lesen des Buches über Faszienyoga bestimmte Sätze doch nachdenklich machten: „Wir sind davon überzeugt, dass es möglich ist, so lange wir leben schmerzfrei, körperlich und geistig gesund und voll beweglich zu sein. Natürlich sind wir uns dessen bewusst, dass es Kräfte gibt, die einen solchen Plan zum Scheitern bringen können. Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die außerhalb unseres Einflussbereiches liegen. Deswegen gehört zu solch einer Lebensplanung auch eine ordentliche Portion Demut.“[1] Und zack war ich mit im Boot … Natürlich brauchen wir nicht alles glauben, was irgendwo geschrieben steht, aber probieren wollte ich es unbedingt! Wer will schon auf dem alten Stand bleiben?

Mein Test begann heute. Ich wusste, dass ich gut 21 Tage mit mir ringen musste, um das Ganze in meiner Tagesroutine mit absoluter Selbstverständlichkeit umzusetzen. Nach dieser Zeit sollte dies eingeschmuggelte Zusatzprogramm ohne innerliches Schwungholen möglich sein. Es ging nicht um eine Fertigkeit, wie Spanisch lernen oder Schlittschuh laufen. Es ging darum, das Bestmögliche aus meinem Körper zu machen, egal wie alt er war. Es ging um etwas Prinzipielles, etwas, was mein Leben in den nächsten 50 Jahren auf alle Fälle beeinflussen würde.

Natürlich könnte ich sagen, was mache ich mir überhaupt Gedanken? Erstens gehts mir gut und zweitens sind Sport und vernünftige Ernährung in meinen Augen so oder so ein Selbstgänger, trotzdem … FaYo war einmal für Schmerzpatienten entwickelt worden und entpuppte sich nun als eine präventive Maßnahme für etwas ziemlich Cooles.

Ist es wirklich so, dass ein Altwerden mit einem Krankwerden gekoppelt sein muss? Natürlich könnte man sagen: „Schau dich um, das ist Realität!“ Doch ist es die richtige? Ist die derzeitige Einstellung zum Älterwerden wirklich das A und O? Wie sehr hatten sich Folgen zu einer Realität etabliert, die durch ein Loslassen der Eigenverantwortung entstanden? Ist das schon alles, wozu wir Menschen fähig waren?

Probieren ist das Mindeste. Dafür gibt es die Wissenschaft! Wir leben in einer Zeit, wo viele aufregende, tolle Dinge herausgefunden werden! Warum sollte es einer Gesellschaft nicht möglich sein, ein Altwerden zu revolutionieren, sodass die Pflege und Betreuung eine Ausnahme wäre und nicht Standard? Wäre das nicht ein unglaublicher Fortschritt?


[1] Bracht & Liebscher-Bracht, FaYo, Das Faszien-Yoga, Die enorme Heilkraft des Bindegewebes nutzen, 4. Aufl., München, 2016, S. 23.

Es gibt so viele schöne Dinge zu tun!

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