Das Rauh der Nächte

Altes bewegt sich um uns. Bräuche durchwirken die Zeit. Eigentümliches der Nacht überzieht den Tag mit Grau und wir können nicht sagen, was es denn nun wäre, was wir fühlen.

Das Wirbelige der Weihnachtszeit konnte dem nichts anhaben. Gleich einer Krabbe, die im Strom des Wassers den Sand aufwühlte und dabei ihm nachschaute, bewegten sich die noch zu erledigenden Dinge, das Planen, das Vorbereiten, das Dekorieren, das Organisieren und letztendlich das atemlose Innehalten für den Gedanken, was noch zu tun sei, an diesen Tagen vorbei.

Viel zu oft sahen wir nur Rahmen, obwohl Fülle vor uns stand. Vielleicht zögerten wir, vielleicht wichen wir zurück und warteten nur ab, als gingen wir am Rande eines Kessels, dessen Tiefe uns unheimlich und unergründlich anmutete. Vielleicht brauchten wir auch dies Berühren des Weltlichen, dies Versichern eines für uns Konkreten, eines für uns Einschätzbaren, um sich nicht zu verirren. Denn Sicherheit wollte sich erarbeitet wissen:

Es waren die Erinnerungen; all diese besonderen Momente, aufregenden Geschichten, all die alten Freunde und Lieben fielen uns beim Kekse backen in den Sinn. Zudem gesellten sich Gedanken an Gelebtes, an Versäumtes, an Bemerktes und Zukünftiges und betrachtete unsere Hände beim Wirken und Herstellen. Alles war da. Entweder nahmen wir es an oder wir drehten uns weg, damit wir es nicht sahen.

Rückblicke waren wie Kinder, die an unserer Seite mit großen Augen auf unser Tun blickten. Tiefes Vertrauen und freudige Erwartung betrachteten uns und warteten darauf, dass Wunder geschehen mögen, die sich nicht erklären ließen. Es oblag uns ganz allein, diesem Entgegenkommen ein Lächeln zu schenken; es zu bemerken, es zu erkennen und vor allem, es als einen Teil unseres Selbst zu lieben.

All dies Alte führte und lehrte uns genau bis dahin, wo wir standen. Es brauchte aber einen geöffneten Raum, in dem es entlassen werden konnte, wenn wir es verinnerlichten. Doch der war nicht einfach da. Wie oft quälte uns Vergangenes, nicht Getanes oder nicht Gesagtes. Wir scheuchten es dann von uns, gleich erstickendem Rauch, der uns umwehte und einfach in Ruhe lassen sollte.

Wenn wir aber hinschauten, wenn wir akzeptierten, dann nahmen wir es in die Hand. Uns. Das was uns ausmachte. Denn es war das unvergleichlich Spannende einer Vergangenheit und vor allem einer darauf aufbauenden Zukunft.

Was sprach dagegen, beide Hände der winterlichen Sonne entgegenzuhalten und den aberbunten Schmetterlingen unseres Selbst die Freiheit zu schenken? Freiheit hieß dann nicht, sich davon zu distanzieren. Freiheit hieß dann, sie im Licht zu betrachten und sich mitten unter ihnen als einen Teil dessen zu empfinden.

Altes bewegt sich um uns. Altes wohnt in uns. Es ist die eigene Hand, die die Tür öffnet, damit beides gemeinsam zu etwas Neuem werden kann.


Anm. z. Bild: Photo by Wolfgang Hasselmann on Unsplash

Anm. z. Titel:

Es gibt die Rau(h)nächte mit h und ohne h, darüber existieren endlose Debatten. Es gibt und gab beides und für beides findet man Erklärungen, es hat aber nichts mit dem Rau(h)en, also dem Groben zu tun. Gemeint sind die 12 Tage zwischen Weihnachten und den Dreikönigen, denen im europäischen Brauchtum eine besondere Bedeutung zugemessen wird.

Anm. z. Text:

Die besondere Bedeutung ist vielfältig und sehr ausgeprägt. Jeder geht damit anders um. Doch bin ich davon überzeugt, dass jeder selbst hineinfühlen sollte, um für sich eine zu finden; somit kommt man dem Eigentlichen am nächsten. Egal, womit wir uns konfrontiert sehen. Denn der inne liegenden Sinn kann so mannigfaltig sein, wie es Menschen gibt. Es ist auf alle Fälle eine intensive Zeit.