Das Thema „Kontakt“ glich einem Zauberwürfel: Ständig konnte ich daran drehen und ein neues Bild entstand. Selbst im Schwierigkeitslevel schienen sie Geschwister zu sein. Beides lief unter „echt nicht einfach“. Manchmal glaubte ich, es erfasst zu haben und konnte nicht verstehen, worin überhaupt meine vorherigen Fragen begründet waren. Einen Moment später konnte es aber sein, dass mir das Erkennen wieder zu entgleiten schien, wie die kleinen fliegenden Schirmchen der Pusteblume an einem heißen Sommertag.
So galt es für mich ein Wort zu füllen. Was wusste ich denn von dem, was unsere Lehrer vermitteln wollten? Wie ließ sich dies einkreisen, was zu den Grundmauern eines Miteinanders auf der Matte gehörte und sozusagen einem Alpha und Omega im Aikido gleichkam?
Kontakt besagte nicht nur Nähe, sondern versprach auch als direkte Informationsquelle die absolute Übersicht; sie versprach ein Annähern an eine Realität, die uns so oft verwehrt blieb, weil wir uns selbst im Sichtfeld standen.
Aus martialischer Sicht gesehen, erschlossen wir uns damit Klarheit über das Kommende, um das eigene Handeln vollständig anzupassen. Wer erfasste, konnte reagieren und verwandeln. Wer erfasste, konnte negativen Impulsen die Kraft nehmen. Wer erfasste, bestimmte das weitere Vorgehen.
Eines wusste ich; es zeigte sich in jeder Aikido-Stunde und in jedem Miteinander: Es war es wert, sich darüber Gedanken zu machen! Wir schenkten nicht nur unsere Aufmerksamkeit. Es war ein Verschenken an den Trainingspartner, an ein Außen, um überhaupt begreifen zu können, was uns umgab. Im Grunde entsprachen wir dem Bergsteiger, der laut seine Stimme in die Zwischenräume des Gesteins rief, um sofort in einem Nachhall sein eigenes Echo zu erfahren.
Wir verbanden uns mit unserem Gegenüber in einem absoluten Sinne, um mit dem konfrontiert zu werden, was vor uns lag. Das Ki, das Denken und die Bewegung unseres Angreifers wollten wir zusammenhängend wahrnehmen. Wir fischten dann nicht im Trüben, gleich einem Herumirren in einem dicken Herbstnebel. Es war dann eher ein meilenweites Sehen, als stünden wir auf einem Hügel unter blauen Himmel, um bis zum Horizont zu blicken.
Vielleicht besaß das Thema „Kontakt“ seine tausend Seiten. Vielleicht mussten wir erst eine nach der anderen kennenlernen, um voll und ganz verstehen zu können, womit wir es zu tun hatten. Wer weiß schon, ob wir die Bedeutung nicht nur auf diesem Wege erfassen konnten. Es war dann ein sukzessives Lernen, dessen Gesamtbild sich immer wieder veränderte.
Vielleicht entsprach „Kontakt“ im Grunde der Tatsache, worin alles Intensive und Wunderbare dieser Welt mündete:
Ganz oder gar nicht!
Trainer: Matthias Lange, 5. Dan
Trainingsort: https://aikidozentrum.com/
Anm. z. Titel:
Das Üben auf der Matte, sowie das Erlernen von Schlüsselprinzipien, erscheint mir nur als ein Annähern, niemals als ein gänzliches Verstehen. Der wichtige Aspekt liegt wohl nicht darin, etwas voll und ganz zu erfassen, gleich einen Fluss, den man nicht mit den Händen greifen kann. Es ist ein bewegtes Verbleiben in Fülle.
Anm. z. Text:
In einem Kampf gibt es immer einen Moment, in dem wir unseren Gegner berühren, also einen „Kontakt“ besitzen. Die Qualität dieses Kontaktes entscheidet über den Ausgang des Geschehens.
„So galt es für mich ein Wort zu füllen.“ großartig gefüllt! ❤️
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Danke Dir, Sovely 😀
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