Seufzend starrte ich auf meine Hände. Warum klappte das jetzt nicht? Mit der rechten Seite fühlte sich die Technik an, als hätte ich sie im Sandkasten geübt, mit der linken Seite lief ich gegen eine unbewegliche Betonwand. Immerhin war ich so weit, dass ich vor lauter Unmut nicht einfach herum hüpfte. Doch mit jedem Versuch wurde ich konfuser. Wo lag der Fehler?
Unser Lehrer erklärte die Technik wie immer sehr genau mit genügend Wiederholungen. Ich sah die Handhabung, glaubte es zu verstehen und konnte es trotzdem nicht umsetzen. Meine Konzentration verschwand im Nirwana; einfach so.
Vielleicht lag es am falschen Start in den Tag? Vielleicht lag es auch an einem Unrunden, das meinen Kaffee nicht schmecken ließ; an einem Regen, der der tief hängenden Wolkendecke entfloh oder einem Zuviel der Welt, die überflüssigerweise die To-do-Liste verlängerte? Eine Antwort darauf gab es den ganzen Tag nicht.
Einen kleinen Moment schaute ich während einer Erklärung aus dem Fenster. Der Himmel des restlichen Tages zeigte sich noch. Trotzdem wollte ich trainieren, trotzdem wollte ich hier sein und vielleicht auch ein gerade deshalb … ein auf der Matte-Sein besaß immer ein Gefühl einer geschützten Enklave. Die Welt musste draußen ihre Schuhe ausziehen …
Alles was sich hier im freundlichen Raum befand, brachte ein Aikidoka mit; in erster Linie sich selbst und mit dem war ich gerade nicht zufrieden. Meine innere Erwartung rannte gegen ein Durcheinander eines konfusen Tages. Fröhliche Klavierklänge zogen durch das Treppenhaus und legten sich beruhigend auf mein Empfinden. Ich streckte mein Rückgrat, blickte auf und nahm ein Lächeln wahr, das mich aufforderte:
„Onegai shimasu!“
Ich freute mich und erwiderte gern:
„Onegai shimasu!“
Zum Glück musste ich jetzt zuerst angreifen, ich hatte eben eindeutig nicht aufgepasst; nicht gerade förderlich, um meiner Erwartungshaltung mir selbst gegenüber gerecht zu werden …
Meine Trainingspartnerin betrachtete mich, stupste mich an und lachte. Sie wusste sofort was los war. Als wir nach einem Abschnitt auf den Knien gegenüber saßen und eine Pause uns die Möglichkeit zum Sprechen gab, erzählte sie von ihrem Aufenthalt in Süd-Afrika, der sie dort für zwei Monate in eine fremde Welt entführte.
„Weißt du“, sagte sie, „die Menschen dort sind viel freundlicher zu sich selbst.“ Still hörte ich ihr zu. „Sie machen genauso Fehler wie wahrscheinlich überall auf der Welt. Weißt du, worin der Unterschied liegt?“
Ich schüttelte den Kopf. Ich wusste es nicht, ich war noch nie dort. Wir schauten uns an. Ihr Lächeln war kein Belächeln meiner Frustration, sondern eines verinnerlichten Wissens, das mir gerade fehlte.
„In ihnen wohnt die Gelassenheit des Südens … sie nehmen das Leben einfach an… und verstehen, dass unser Bemühen in der Welt ein stetes Lernen und Leben ist. Das eine entspricht dem anderen. Unsere harte Seite des Nordens erwartet so vieles von uns. Es erwartet Vollkommenes und vergisst, dass wir alle lernen müssen, um einen neuen Schritt als solchen erkennen zu können.“
Die Klavierklänge schlängelten sich wieder in mein Bewusstsein und ich stellte mir den Strand mit Palmen, Wasser und der Leichtigkeit des Südens vor …
Niemand konnte sich von jetzt auf gleich von einer jahrzehntelangen Sichtweise trennen. Doch ein kleines Still-Halten im Moment, ein Zurückblicken auf die eigenen Gedanken und auf das eigene Tun, das half schon.
Der Fehler lag nicht im Fehler, dieser würde mit der Zeit durch mein Training immer seltener sein Gesicht zeigen und irgendwann verschwinden. Das wirklich Fragwürdige lag im Moment danach…
Es gab so viel zu lernen!
Trainer: Matthias Lange, 5. Dan
Trainingsort: https://aikidozentrum.com/