Ignoranz

Irgendwer beschloss diese Unmöglichkeit, versäumte es aber eindeutig, mich zu fragen. Irgendwer dachte über Effizienz und Wirtschaftlichkeit nach, vergaß es aber, über jegliche weiteren Auswirkungen nachzudenken. In der Schule gäbe es dafür nicht nur den missbilligenden Blick des Lehrers, sondern ein sattes Ungenügend!

Völlig gerädert überlebte ich den gestrigen Tag und verwünschte zum tausendsten Male die Zeitumstellung, die meinen Rhythmus völlig zerfranste. Ich wachte viel zu früh auf und konnte nicht wieder einschlafen, um die gewonnene Stunde irgendwie zu nutzen. Am Spätnachmittag überfiel mich der Himmel mit der viel zu frühen Dämmerung, die meine Motivation zum Laufen fast auf null runterfuhr. Doch kein Sport war auch keine Lösung, also blinkte ich um diese Zeit wie ein Weihnachtsbaum und erschreckte die herumstreunenden Katzen.

So saß ich nun im Halbdunkel mit einer Tasse Kaffee und verharrte im Nichtstun. Meine Stimmung kippte zwischen eine Handbreit über oder unter einfach schlecht. In dem noch hereinfallenden Licht sah ich den von fernen Sternen herabrieselnden Staub. Wahrscheinlich gab es einen geheimen Tunnelzugang aus der dritten Dimension, der mir lediglich nicht bekannt war; jegliche Beseitigung erfüllte mich für fünf Minuten mit einem guten Gefühl, doch dann zeigten sich die nackten Tatsachen: die kleinen Dinger materialisierten sich mit einem Lächeln wieder auf den Möbeln. Der Gedanke trug nicht zur Besserung meines Gemütszustandes bei.

Vor keinen zehn Minuten ging ich am Wäschekorb vorbei, der anscheinend in direkter Linie mit dem Staub verwandt war. Er wurde gnadenlos in seinem Fassungsvermögen ausgetestet; in ganz hoffnungslosen Zeiten öffnete er seine Arme und bot auch links und rechts reichhaltigen Platz für die Bestimmung seines Lebens. Erst wenn das Wissen durchsickerte, dass saubere Unterwäsche kein natürlich nachwachsender Rohstoff war, fand sich das eine oder andere im Keller, um beim nächsten Waschgang dabei sein zu dürfen. Den Gedanken fand ich lustig, ein kleines Lächeln zog sich über mein Gesicht.

Mein Blick fiel auf den zu meinen Füßen schlafenden Hund. Im Moment jagte er mit einem zufriedenen Seufzer hinter seinen Traum-Rehen her. Vor einer halben Stunde saß er noch vor der Tür und verteidigte mit einem 80-Dezibel-ich-fress-dich-gleich-Gebell den Postkasten. Der Postbote wusste, dass er nur lang genug warten musste, damit ich aus den Tiefen meiner Beschäftigung ins Freie kam. Zutritt war ihm kaum möglich, wenn mein hellbrauner Wuschel mit höchster Inbrunst den Platz verteidigte. Dieser wirklich nette Mensch,  gab mir dann immer der Einfachheit halber gleich die Post in die Hand. Der Gedanke daran ließ mich grinsen. Es gab einfach Dinge, die würden sich niemals ändern und das war gut so.

Wahrscheinlich fiel mir gleich der dunkle Herbst-Himmel auf den Kopf, aber meine Stimmung war besser. Der Kaffee schmeckte gut und das tat er, egal, wo sich der Zeiger meiner Uhr befand. Die Welt entfloh der zwanghaften Veränderung des Betrachtungswinkels, konnte ich dies nicht auch?

Genau! Entschlossen stand ich auf, zog das Kirschkernkissen aus dem Schrank, warf es in die Mikrowelle, zog mir etwas Bequemes an und kuschelte mich mit dem kleinen Hitzespender und einer Decke auf meinem Sofa ein.

Die Welt war einfach klasse!