Eine Liebeserklärung

Mit dem Rücken zur Mauer und der Sonne im Gesicht wirbeln Worte vor mir durch die Luft. Wie hast du das nur gemacht? Ich halte meine offene Hand der Wärme entgegen. Alles ist da: Vergangenes, Gegenwärtiges und etwas, was seine Bedeutung in eine mögliche Zukunft trägt. Du bist mir so ähnlich, da du dich in eine Welt hineinträumst, die ohne Risse und Brüche oder Krisen zu sein scheint und trotzdem die dunkle Seite nicht ignoriert, denn das Hervorheben des Schönen bedeutet nicht gleichzeitig das Schlechte zu verleugnen, es versichert nur das Wichtige.

Tiefe Ruhe liegt in mir, denn ich bin jetzt und vorher und bald. Du trägst mich auf Händen in eine Welt des absoluten Genusses; in eine Idylle: Rosen in allen Farben umschließen altes Gemäuer, ranken bis in den ersten Stock hinauf, halten ein Zuhause im zarten Griff, denn sie fühlen sich an diesem Ort wohl und danken mit einer begeisterten vollkommenen Blüte. Ihr Duft durchströmt die Luft als gebe es nur noch Sommer für alle Ewigkeiten, die allein in dem Moment liegen und deshalb niemals vergehen. Ich rieche sie. Ich sehe deine Welt des Ideals, der perfekten Ausgewogenheit und des Gleichklangs.

Du erforschst mit Leidenschaft das Leben, das dich umgibt. Alles, was deinen Sinn erfasst, möchtest du betrachten und erklären können. Bildung, Wissen und Fortschritt liegen dir am Herzen. Dein Weg bewegt sich durch einen zirkularen Schluss deiner Gedanken, als läge immer und zu jeder Zeit ein Mikroskop in deinen Händen, das deine Wirklichkeit in winzige Handlungsabschnitte zergliedert. Es ist ein Auseinanderzupfen des Daseins, um sich selbst wenigstens in Ansätzen verstehen zu können.

Du liebst mit Hingabe aus der Ferne. Deine Liebe geht kleine Schritte: Erst ist es ein Bemerken, ein Erfühlen, ein Aufmerken, dann ein Genießen und schließlich ein konsequentes Umsetzen; undenkbar im heutigen Jetzt. Und trotzdem! Deine Worte lassen dein Herz mit all seinen Zweifeln und Vermutungen sichtbar werden; mit einem Herantasten an Etwas, das über reine Sympathie hinausgeht und letztlich nicht mehr geleugnet werden kann. Mit Bedacht berührst du das Neue, umrundest es mit ein klein wenig Vorsicht, als verflüchte es sich bei Berührung. Zartes ist dir auch als Mann nicht fremd, du erkennst es und weißt es zu schätzen.

Du ziehst Kunst in dein Leben, um Besonderes offenkundig werden zu lassen: Kunst erzieht und führt. Sie gibt dir den Freiraum, um deine eigene Begabung wahrzunehmen. Sie spiegelt durch deine Emotionen in der Betrachtung; ein guter Weg sich selbst kennenzulernen. Sie offenbart dich als Mensch, der die Resonanz mit dem Besonderen in der Betrachtung auslebt.

So sitze ich in der Sonne mit der Wärme auf meinem Gesicht; halte deine Worte vor meinem inneren Auge, genieße die von mir in sie hineingelegte Bedeutung, denn ich kenne dich nicht, ich kenne nur den Wiederschein deiner Gedanken in meinen eigenen Empfindungen. Ich genieße. Danke.

 

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Anm. z. Titelbild: Buch von Adalbert Stifter, Der Nachsommer, Frankfurt am Main, 1982.