Energetische Signatur

Es gibt Menschen, die bügeln mit Leidenschaft und versinken immer wieder in den Bergen aus Hemden, T-Shirts oder Tischdecken, die schon seit Weihnachten liegen, um ihre Gedanken beim Arbeiten zu vergessen. Denn die Gedanken sind manchmal mit zerstörerischer Explosionskraft, die schönes Empfinden mit einer Handbewegung einfach wegwischen. Das möchte niemand haben, deshalb wird gebügelt. Das klappt bei mir nicht; also drehe ich die Sachlage: Meine Hände arbeiten und der Kopf tobt sich aus. Ich starte meine inneren Bilder, betrachte Dinge, Gesagtes, Träume und wage mich in die Bereiche der verbotenen Sehnsüchte. Das Schöne daran ist: Niemand bemerkt es. Ich bin äußerlich mega-fleißig, da schließlich bereits drei Körbe in Reihe stehen und ich jedem Betrachter meiner Person ein tapferes Lächeln schenke und mein Hausfrauenpunktekonto in die Höhe schießt. Innerlich habe ich Spaß und verbessere meine Welt ziemlich ausschweifend mit tiefstem Vergnügen.

Um dem Ganzen ein riesiges I-Tüpfelchen aufzusetzen, liegt mein Laptop auf der Spitze des bereits Gefertigten und offeriert mir meinen Lieblings-Podcast mit einem Fachmann[1] der gedanklichen Auseinandersetzung. Dieser zerpflückt Woche für Woche kurioses Gedankengut, um etwas Klarheit in die Welt zu bringen und ebnet damit ebenso die zerfransten Ausschläge so mancher meiner Überlegungen.

Also glätte ich konzentriert den Ärmel einer Bluse, die ich nur selten anziehe, weil sie so schwer zu bügeln ist, doch ich ignoriere diesen Aspekt und höre Christian zu.

„Du hast ein Problem, das deine Gedanken blockiert und deine Gedanken kreisen darum. Bist du dir sicher, dass es 100% wahr ist?“ Der Mann hatte noch nie meine Probleme, sonst würde er solche Fragen nicht stellen.

„Also schließe die Augen und stelle Dir deinen Gedanken vor, wie fühlst Du dich?“ Hallo, wir sprechen über ein Problem! Das Wort „Problem“ bedeutet, wir reden über eine schwierige Frage, die gelöst werden will oder ein Ärgernis oder sogar Konflikt; wer fühlt sich da super? Ich bekomme bei Problemen immer Mundfalten oder Nullbock auf Garnichts.

„Wie würdest du empfinden, wenn du diesen Gedanken nicht hättest?“ Ok, jetzt kreisen wir das Ganze ein wenig ein. Ich bin voll dabei, schließlich bezeichne ich mich als einen positiven Charakter.

„Wie groß ist jetzt die Harmonie in dir?“ Etwas Negatives fällt weg. Das fühlt sich gut an. Ich bügele den Kragen. Gibt es irgendein Problem in meinem Leben? Ich bin schon ziemlich dankbar, dass ich etwas überlegen muss. Ok, ich lerne ständig irgendetwas Neues und bin damit unzufrieden, dass der Lernerfolg so viel Zeit benötigt, nicht einfach. Schließlich ist es manchmal der Grund für so manche Frustration, dass das Jungvolk mich mit spielerischer Leichtigkeit überholt oder nicht so gefangen in den Gegebenheiten des Lebens ist, sodass der Lernerfolg sich bei ihnen schneller einstellt. Also: ich stelle mir vor, dass ich keine Vergleiche ziehe und kein Ziel mit einer Zeitvorgabe formuliere. Hey, das fühlt sich cool an! Ignoriere ich damit nicht die Realität? Ich tue einfach so, als wäre ein Problem nicht da?

Christian, ich bin voll und ganz mit dir. Und nun?

„Man braucht niemanden, um mit sich selbst in Harmonie zu sein.“ Klar, die anderen machen die Probleme. Meine Rede! Blusen sind knittrig oder nicht, unabhängig von meiner Fertigkeit des Bügelns. Ich werde ein Schild basteln, um jeden davon zu überzeugen, dass die Knitter von der schlechten Qualität des Stoffes herrühren und nicht von meiner Fertigkeit als Büglerin.

„Lasse die Realität so, wie sie ist. Harmonie entsteht immer nur mit einem selbst, alles andere ist nur ein Spiegel.“ Jetzt weiß mein Innerstes keine Antwort. Das Spöttische hat sich versteckt. Stumm verharre ich in meinen Bewegungen und brenne ein Loch in meine Bluse. Was soll‘s, die wollte ich eh nie bügeln.

„Alles ist perfekt, weil es IST, unabhängig vom Gedanken.“ Das ist starker Tobak! Angenommen, ich lasse die Welt einfach stehen und verändere meine Gedanken. Die Welt ist immer noch so wie sie ist, doch ich bin in Harmonie. Es sind meine Gedanken, die meine Welt mit Negativem oder Positivem füllen. Das ist ganz schön schwer wirklich zu verstehen.

Was heißt das denn im Praktischen? Hmmh. Ist das wirklich so simpel? Ich lächle. Mir fällt ein krasses Beispiel ein, das ich sofort ausprobiere: Angenommen, ich gehe aus und lerne bei einer Party einen Typen kennen, den ich aufregend und toll finde. Wir tanzen den ganzen Abend zusammen und ich denke am Buffet darüber nach, ihn zu fragen, ob wir vielleicht in den nächsten Tagen Essen gehen wollen. Mit vollem Teller kehre ich zurück und sehe, wie der tolle Typ eine Andere küsst. Vermutlich wäre der Abend für mich gelaufen. Was ist falsch? Es ist nichts daran falsch, dass er die Andere küsst. Naja, mich hätte niemand in diesem Moment fragen dürfen… , doch hätte ich nicht die eindeutige Vorstellung besessen, selbst von ihm geküsst zu werden, dann hätte ich mich nicht so schlecht gefühlt.

Zugegeben, meine innere Harmonie hängt von meinen Gedanken ab. Nachdenklich schaue ich auf meine Hände. Was will ich denn? Das lässt sich schnell beantworten:  Ich möchte Frieden, Harmonie und immer das gute Gefühl, richtig zu sein.

Alles ganz allein meine Entscheidung? Jup!

Ich stelle das Bügeleisen ab, öffne die Haustür, gehe zu den Mülltonnen und schmeiße meine Bluse weg.

 

 

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[1] Podcast „Die Kunst, dein Ding zu machen“ von Christian Bischoff https://www.christian-bischoff.com/
Anm. z. Titel: „Wenn mir an meinen Lebensumständen etwas nicht gefällt, dann muss ich die entsprechende Energiequalität in mir ändern, damit ich das Erwünschte hervorrufe. Es sind also meine Einstellungen, meine Absicht, meine Überzeugungen, Erwartungen und Kernglaubenssätze, die meine „energetische Signatur“ bestimmen und damit das hervorrufen, was wir Realität nennen; nicht zu vergessen natürlich auch meine Ängste, Befürchtungen, Widerstände und Ablehnungen, die genau das anziehen, was ich nicht will.“
Kurt Tepperwein, Der Lebensführerschein, Heidelberg, 2007, S. 64.