Textnachrichten sind die Hölle!

Ich starre auf das Display. Ok. Die Nachricht ist verschickt. Ein Häkchen für das Abschicken, zwei Häkchen für das Ankommen, die blaue Farbe für das Lesen meiner Worte. Ich bin gespannt, was er sagt. Geduld.

Es gibt immer zwei Arten von Mitteilungen: Der bloße Gruß, ein Hineinrufen in den Äther, als riefe ich einem Reisenden etwas hinterher, um seinen Weg mit etwas Schönem zu begleiten, einem guten Gefühl, etwas, worauf ich nicht wirklich eine Antwort erwarte: „Hab eine gute Reise“ oder „Ich wünsch dir einen schönen Tag!“. Natürlich wäre die Antwort mit einem Smiley eine wirklich nette Variante, einfach ein klein weniger mehr als die blaue Farbe. Ein „Ich freue mich darüber“, das das Vorhandensein des Anderen und seine Zuneigung ein klein weniger deutlicher werden lässt.

Wenn Du mir gegenüberstehst, dann reagierst Du doch auch auf etwas Nettes, oder? Nun gut, es wären nicht immer Worte, meistens ein nickendes Lächeln mit einer Fülle von Informationen für den Grüßenden, das die Worte mit einem größeren Geschenk belohnt: Ich weiß sofort: die Nachricht ist angekommen; ich weiß sofort: der Andere freut sich; ich weiß sofort: wir beide sind auf einer Ebene in der Kommunikation, die einfach Spaß macht, und das beiden. Solch eine Bestätigung verwöhnt! Bin ich verwöhnt? Oder erwarte ich von einem modernen Kommunikationsweg etwas, was er überhaupt nicht leisten kann?

Stille. Ok. Vielleicht ist der andere grad für kleine Königstiger und kann nicht antworten. Notwendigkeiten gibt es immer wieder. Schon bohrt sich ein hässliches „Aber“ in meine innere Argumentation. Die Häkchen werden blau! Er hat es gelesen. Nehme ich das Handy mit ins Bad? Ich nicht, ich habe ja etwas anderes zu tun, doch ich habe davon gehört, dass so mancher an diesem Ort die virtuelle Zeitung immer dabei haben soll. Bloß weg mit dem Gedanken, darüber will ich nicht nachdenken. Gut. Vielleicht wurde die Nachricht gelesen, der ständige Begleiter zur Seite geworfen und die heiligen Hallen der Einsamkeit aufgesucht. Das wird schon so sein.

Immer noch Stille. Kann man eine Stunde lang ganz und gar so beschäftigt sein, dass nichts anderes geht? Auch im Urlaub, auf Reisen? Irgendetwas stimmt in meinen Überlegungen nicht. Irgendetwas habe ich in meinem Gedankengang übersehen. Also von vorn: Was habe ich denn geschrieben? War es nur ein Gruß? Nachdenklich betrachtete ich nochmals das Display. Nein, eindeutig nicht. Es handelte sich um die zweite Art einer Mitteilung: Ein fröhliches „Guten Morgen“ plus Informationen plus einem eindeutigen Hinweis auf gewünschte Kommunikation. Oder lässt sich ein „Hoffe Dein Abend war richtig gut…“ missverstehen? Ich hoffe es anscheinend nicht nur, sondern möchte auch eine Auskunft darüber. Wenn diese Information transportiert ist, warum antwortet er also nicht? Eine spitze Nadel der Folter drängt sich durch meine Gedanken: Du bist ihm halt nicht so wichtig! Du kannst halt warten. Irgendwann später zu antworten, wird schon reichen. Das Frühstück oder der mitreisende Freund können nicht die fünf Sekunden warten, damit Du ein „Ich melde mich gleich“ oder für die Schnelltipper ein „Moin, Du fehlst mir auch, aber ich gehe jetzt runter zum Frühstück, denn ich hab wirklichen Kaffeedurst und der begleitende Freund würde mir bei der Formulierung meiner Antwort an Dich nur stören“ senden kannst. Alles ist möglich.

Immer noch überhaupt NICHTS! Selbst wenn die Welt untergeht, Aliens im Garten einfallen, sich ein Atompilz am Horizont abzeichnet oder sich ein Mitreisender auf meine Hose übergeben hat: Eine Antwort ist doch wichtig! Wenn ein paar Worte zu viel sind, dann müsste doch wenigstens so ein kleiner Smiley drin sein. Naja, oder gegebenenfalls die spuckende Variante als ausdrucksstarke Aussage plus Informationsgehalt. Auf alle Fälle bekäme ich das Gefühl vermittelt, ich sei als Erste dran. Was in meinen Augen eine SEHR wichtige Information darstellt.

Ich stehe vor dem Klo und halte mein Handy in der Hand. Warum sollte ich nicht der ganzen Qual ein für alle Mal ein Ende setzen? Ich könnte meine Hand ein klein wenig kippen und dieses teuflische Instrument der Neuzeit ginge  mit all den qualvollen Foltermöglichkeiten des Miteinanders unter. Stumm und abwartend erhoffe ich mir ein Blinken in der oberen linken Ecke. Noch zehn Sekunden, noch sieben, noch fünf. Meine Hand zittert. Das Ding hat 200 Euro gekostet! Bist du wahnsinnig?

Gilt der schnöde Mammon als Argument? Die nächste Gedankenfalle tut sich auf. Eine Sekunde des Zögerns ermöglicht es einem Gedanken, in den festen Kreis des Selbstmitleides einzudringen.

„Hast Du sie noch alle? Greif zum Äußersten! Nimm dieses teure Ding und rufe an!“

Der Gedanke scheint so manches im Universum in Bewegung gebracht zu haben: Es blinkt und eine Antwort kommt durch die Luft: „Hi, mach dir nicht so viele Gedanken! 🙂 Nur weil ich nicht gleich geantwortet habe! ….“

Ich liebe das Kommunizieren…

und mein Handy 🙂